SPD-Chef Sigmar Gabriel im Blickpunkt: Der faule Kompromiss zu Ceta sagt viel über den Zustand der SPD Foto: dpa

Ceta, das Freihandelsabkommen der EU mit Kanada, wurde zu einem Vorgang, der beinahe das Schicksal Sigmar Gabriels als SPD-Chef besiegelt hätte. Das sagt viel über den Zustand seiner Partei.

Stuttgart. - Das ist gerade noch mal gut gegangen – für die SPD, für ihren Chef Sigmar Gabriel. Der windelweiche Kompromiss des Wolfsburger Parteikonvents über das Freihandelsabkommen Ceta der EU mit Kanada lässt sich auf den einfachen Nenner bringen: Gabriel darf Ceta zustimmen, setzt sich aber dafür ein, die Inkraftsetzung dieses gerade für die exportabhängige deutsche Wirtschaft sinnvollen Vertrags möglichst lang zu verzögern.

Das sagt viel über die SPD. Es sagt so ziemlich alles über die Lage Gabriels an der Parteispitze. Da müssen inzwischen schon ein Konvent und gedrechselte Formulierungen her, damit es den Chef nicht vollends zerreißt im Spagat zwischen seinen Ämtern. Schließlich wird immer schwerer vereinbar, was Gabriel als Wirtschaftsminister und als Schlüsselfigur in Bundesregierung und schwarz-roter Koalition vertritt – und was eine wachsende Mehrheit innerhalb der SPD als Rückweg ihrer Partei in die Erfolgsspur betrachtet.

Der Boss steht in der Mitte – die Partei zieht nach links

Es ist ja ein bemerkenswerter Vorgang, dass etwas so Abstraktes wie die Außenhandelsabkommen mit Kanada und den USA, Ceta und TTIP, in dieser Partei zu Vorgängen werden konnten, die über den Verbleib Gabriels an der Spitze und über seine Glaubwürdigkeit entscheiden. Wobei die Sache nur mit Blick auf den Verbleib gut ausgegangen ist. Der Glaubwürdigkeit des Wirtschaftsministers, der die Abkommen stets mit Wucht und stichhaltigen Begründungen verteidigt hat, ist kein Gefallen getan.

Dieser Vorgang zeigt: Der Boss steht in der Mitte, die Partei zieht nach links. Warum, ist offensichtlich: Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller kommt gerade gerupft aus einer rot-schwarzen Legislaturperiode. Die Nils-Schmid-geführte Baden-Württemberg-SPD flog als Juniorpartnerin des grün-roten Duos im März hochkant aus der Regierungsverantwortung. Kein Wunder, dass mancher Genosse links die Morgenröte vermutet.

Basis der SPD ist weg

Nur, es spricht wenig dafür, dass sie dort tatsächlich strahlt. Grundsätzlich werden Wahlen in Deutschland weiterhin in der Mitte des politischen Spektrums gewonnen, auch wenn die Ausfranszonen nach rechts und links größer geworden sind und die Parteienlandschaft kleinteiliger geworden ist. Eine SPD, die es gefühlig auf die linke Tour versuchen will, wird sehr schnell an ihre Grenzen stoßen. Harte linke Positionen sind längst von der Linkspartei besetzt. Wen die Genossen gern als kleine Leute bezeichnen und wer sich zu kurz gekommen wähnt durch Globalisierung und die ihr entspringende Zuwanderung, der tendiert heute eher zur AfD. Noch schwerer wiegt: Das Milieu einer ziemlich homogenen, gewerkschaftstreuen Arbeitnehmerschaft als Basis einer Volkspartei SPD ist weg.

Da kann das Heil nicht darin liegen, wenn die Sozialdemokraten Wind machen gegen Ceta und TTIP. Wenn sie wie zuletzt bei der Rente mit finanzpolitisch haarsträubenden Geschenkideen hausieren gehen. Wenn sie zu sehr auf die Gewerkschaften schielen.

Blick nach Rheinland-Pfalz

Arbeitnehmer und junge Menschen mobilisieren, das geht heute nicht mehr mit Grundsatzdebatten zur tariflichen Arbeitszeit oder zum Mindestlohn. Die SPD bräuchte Antworten darauf, was die Digitalisierung der Arbeitswelt mit Arbeitnehmern und ihren Rechten macht, oder Konzepte zur Sicherung der Generationengerechtigkeit. Und unverändert braucht sie überzeugende Persönlichkeiten. Vielleicht schaut sich die Partei noch mal genau an, wie ihr Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz den vorläufig letzten großen Wahlsieg gesichert hat – und auch noch mal, wie viel sie ihrem Vorsitzenden noch zumuten will. Sie täte gut daran.

christoph.reisinger@stuttgarter-nachrichten.de