Fans feiern ausgelassen auf der Theodor-Heuss-Straße. Foto: 7aktuell

Die Bilanz der deutschen Nationalmannschaft gegen Italien sah bislang verheerend aus. Umso ausgelassener feierten Fans am Samstag in der Innenstadt den Sieg nach dem gemeinsam durchlebten Elfmeter-Krimi.

Stuttgart - Die Bänke vor Abbacco’s Steakhouse am Rotebühlplatz sind voll besetzt. Alessandro hat einen Platz in der ersten Reihe ergattert. In eine italienische Flagge gehüllt, hält er gemeinsam mit seiner Freundin die Stellung an einem Tisch, der ansonsten durch Schwarz-Rot-Gold dominiert wird. „Wir müssen gewinnen!“, zeigt er sich entschlossen. Von den Deutschland-Fans und der Bedienung im DFB-Shirt lässt er sich nicht weiter irritieren. „Wir haben keine Angst, hier zu sein“, merkt er augenzwinkernd an.

Jermain hat gar nicht erst nach einem Sitzplatz Ausschau gehalten. Der Studenten der Verfahrenstechnik ist angesichts der Neuauflage des Klassikers Deutschland–Italien mächtig hibbelig. Als Schweinsteiger den Ball in der 27. Minute per Kopf im gegnerischen Tor versenkt, umarmt der Zwanzigjährige, der früher selbst in Untertürkheim gekickt hat, seinen bis dahin noch unbekannten Nebenmann. Fußball verbindet eben. Und sei es in der leidvollen Erfahrung, dass ein Tor dann doch nicht zählt. „Ich tippe weiterhin auf ein 2:1“, bleibt Jermain nach dem Halbzeitpfiff siegessicher. „Ich glaube, die Italiener werden im Hinterkopf behalten, dass der Ball schon Mal im Netz war. Das ist sicher ein Nachteil für sie.“

Abseits der Versammlungen zum Public Viewing ist die Stadt wie ausgestorben. Auf der Königsstraße sind nur vereinzelte Grüppchen unterwegs. „Das war ein Tor!“ ruft ein Nachtschwärmer seinen Begleitern zu, weil Jubel von einem Lokal herüberweht. Schon beschleunigen alle den Schritt, um zum nächsten Bildschirm zu gelangen. Doch es steht immer noch 0:0. Im Goldmark’s ist die Spannung geradezu greifbar. Wo sonst Bands im Schweiße ihres Angesichts rocken, werden am Samstag die Hände der Fußballliebhaber feucht.

Mit einem Mal herrscht wieder Leben in der Innenstadt

Özils Tor wirkt befreiend. Zumindest kurzfristig. Im vorgelagerten Biergarten wird ebenfalls intensiv mitgefiebert. Erst recht, als der Abend seinen dramatischen Höhepunkt erreicht: das Elfmeterschießen. „Der hat so viel Energie, der haut ihn drei Meter drüber“, prophezeit Marcel, als Zaza antritt. Der junge Mann soll Recht behalten: Der Ball saust über Manuel Neuers Kasten. Robin, der seinem Freund gegenübersitzt, kann sich darüber noch nicht recht freuen. Bei jedem Schuss verkriecht er sich tiefer in seinen Kapuzenpulli, ehe Jonas Hector schließlich den befreienden Treffer landet.

Das erste Hupen folgt auf dem Fuße. Mit einem Mal herrscht wieder Leben in der Innenstadt. Von überall her strömen Menschen Richtung Theodor-Heuss-Straße, um dort zu flanieren und lautstark zu feiern. Die Stimmung ist ausgelassen. Vereinzelte Italiener schwenken ihre Fahne unbehelligt zwischen den Anhängern von Jogis Elf.

Die Bilanz der Polizei bestätigt den Eindruck eines friedlichen Fußballfests: Abgesehen von ein paar Feuerwerkskörpern und Bengalos, die beschlagnahmt wurden, mussten die Beamten nicht eingreifen. Auch die Teilnehmer am mehrere hundert Fahrzeuge umfassenden Autokorso verursachten zwar eine Menge Lärm, aber keine Probleme.