Die EU will die Auflagen für die Bauern beim Umweltschutz verschärfen – auch gegen den massiven Protest der Landwirte. Das Europaparlament stimmt deshalb für ein umstrittenes Gesetz zur „Wiederherstellung der Natur“. Foto: dpa/Christoph Schmidt

Trotz Protesten aus der Landwirtschaft und den Reihen der Konservativen und Rechten wollen die Abgeordneten den Kampf gegen den Klimawandel verschärfen.

Das Verabschieden von Gesetzen ist im Europaparlament oft eine eher dröge Angelegenheit. Doch am Dienstag brandete plötzlich Jubel auf. Mit einer knappen Mehrheit hatten die Abgeordneten das seit Monaten heiß umstrittene EU-Gesetz zur „Wiederherstellung der Natur“ angenommen. 329 Abgeordnete stimmten dafür, 275 dagegen, und 24 enthielten sich bei der Sitzung in Straßburg. Die EU-Staaten müssen dem Vorhaben auch noch zustimmen, das gilt aber als sehr wahrscheinlich.

Der Kampf gegen den Klimawandel könne nun fortgesetzt werden, jubilierte Jutta Paulus nach der Abstimmung, die für die Grünen im Parlament das Gesetz maßgeblich mit ausgearbeitet hat. „Nur mit der Renaturierung zerstörter Ökosysteme können das Artensterben gestoppt und die EU-Klimaziele erreicht werden.“ Der Deutsche Bauernverband sieht in dem Gesetz eine schwere Bürde für das Verhältnis zwischen Naturschutz und Landwirtschaft. Er kritisiert, dass es weitreichende und pauschale Vorgaben für die Mitgliedstaaten gebe.

Geschädigte Ökosysteme sollen renaturiert werden

Das Gesetz legt verbindliche Ziele für die EU-Mitgliedstaaten zur Renaturierung geschädigter Ökosysteme fest. So soll zum Beispiel Flüssen mehr Raum gegeben, Moore sollen vernässt und alte Wälder erhalten werden. Geplant ist auch die verstärkte Begrünung von Städten. Ziel ist dabei, mehr Kohlenstoff in der Natur zu speichern. Auf diese Weise können Hitzewellen, Dürren, Starkregenereignisse und Überschwemmungen abgemildert werden. Hintergrund des Gesetzes ist, dass nach EU-Angaben rund 80 Prozent der Lebensräume in der Europäischen Union in einem schlechten Zustand sind. Zudem seien zehn Prozent der Bienen- und Schmetterlingsarten vom Aussterben bedroht und 70 Prozent der Böden in einem ungesunden Zustand.

Der Abstimmung vorausgegangen waren ungewohnt erbitterte Auseinandersetzungen der Fraktionen im Europaparlament. Unmittelbar vor dem finalen Votum hatte Manfred Weber, Chef der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, noch einmal erklärt, dass seine Fraktion gegen das Gesetz stimmen werde. Nach seinen Worten würden durch das Gesetz zusätzliche Vorschriften für Landwirte eingeführt. Welche genau, ließ er offen. Am Ende folgten aber nicht alle EVP-Abgeordneten seiner Vorgabe – eine politische Niederlage für den CSU-Mann.

Kritik der Grünen an den Konservativen

Vor allem die Grünen werfen den Christdemokraten politische Spielchen vor. Die Kritik bezieht sich auf ein Positionspapier, das die Konservativen im vergangenen Frühjahr in Vorbereitung auf die Europawahl im Juni 2024 beschlossen haben. Auf der Suche nach zündenden Themen für den Wahlkampf ist vor allem den deutschen CDU/CSU-Vertretern die aktuelle Schwäche der Grünen in Deutschland und einigen anderen EU-Staaten ins Auge gefallen – deutlich zu sehen etwa in den Niederlanden. Dort konnte die rechts-konservative Bauern-Bürger-Bewegung (BBB) nach heftigen Protesten gegen verschärfte Stickstoffgrenzwerte bei den Provinzwahlen erdrutschartig Stimmen einfahren. Auch die europaweiten, zum Teil gewaltsamen Proteste der Landwirte hinterließen in Brüssel Eindruck, auf die zuletzt sogar die EU-Kommission reagierte. So wurde ein Gesetzesvorhaben für weniger Einsatz von Pestiziden zurückgezogen. Auch soll der immer wieder beklagte bürokratische Aufwand für die Landwirte reduziert werden.

Nur war für die EVP-Fraktion war der Streit um das Renaturierungsgesetz eine gute Gelegenheit, sich prominent als Verteidigerin der Interessen von Land- und Forstwirten zu positionieren. Die Konservativen werden im Wahlkampf vermutlich versuchen, die Niederlage bei der Abstimmung für sich zu nutzen und den inzwischen aufgestauten Zorn vor allem auf die Grünen zu lenken. CDU/CSU können darauf verweisen, dass sie gegen das Gesetz gestimmt haben.

Ursula von der Leyen in der Zwickmühle

Politisch pikant wird dieser Kurs allerdings dadurch, dass der Kampf für mehr Umweltschutz und gegen den Klimawandel das zentrale Projekt der konservativen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist. Die hat sich jüngst, von der CDU unterstützt, für eine zweite Amtszeit beworben. Zuletzt hat von der Leyen zum Entsetzen der Grünen allerdings einige Vorgaben des Green Deal zum Umweltschutz wieder zurückgenommen. Das zeigt, dass auch sie vom massiven Druck aus der eigenen Partei und den Bildern der Bauernproteste nicht unbeeindruckt geblieben ist.