Boris Palmer ist seit 2007 Oberbürgermeister von Tübingen. Foto: imago/Ulmer Pressebildagentur

Im Mai dieses Jahres ist Boris Palmer bei den Grünen ausgetreten. Jetzt will der Tübinger OB als Kandidat der Freien Wähler Vereinigung in den Kreistag. Der Verein hat nichts mit der Partei Freie Wähler zu tun.

Boris Palmer will zu den Freien Wählern – diese Schlagzeile hatte am Wochenende viele überrascht und verwirrt zugleich. Tritt der Tübinger Oberbürgermeister nach seinem Austritt bei den Grünen etwa ausgerechnet der Partei bei, die vor allem in Bayern seine ehemaligen Kollegen als Feindbild wahrnimmt? Kaum vorstellbar. Und so ist es auch: „Ich habe nie behauptet, dass ich Aiwangers Partei beigetreten bin“, betonte Palmer am Montag auf einer Pressekonferenz im Tübinger Landratsamt. Zu den Freien Wählern will er trotzdem – nur eben nicht zur Partei, sondern zur Freien Wähler Vereinigung (FWV), die in ihrem Landesverband für Baden-Württemberg als Verein organisiert ist und nichts mit der Partei Freie Wähler zu tun hat.

Palmer hat dort eine neue politische Heimat gefunden und kann durch die Vereinsstruktur trotzdem parteilos bleiben: Als Kandidat der FWV will sich der bundesweit bekannte OB künftig auch für den Landkreis Tübingen engagieren. Bei den Kommunalwahlen im kommenden Jahr soll der 51-Jährige einen Listenplatz erhalten. FWV-Mitglieder im Kreistag seien laut Fraktionschef Thomas Hölsch unabhängig, es gebe keinen Fraktionszwang. Palmer müsse bei Abstimmungen also nicht immer mit den Freien Wählern stimmen.

Freie Wähler Vereinigung: „Wir hoffen, dass Palmer uns viele Stimmen bringt“

„Ich vertrete und suche modernen Konservativismus“, begründet Palmer seine Entscheidung. Dies bedeute zum einen, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und dafür die notwendigen Schritte vor Ort zu unternehmen. „Da haben sich die freien Wähler in den vergangenen Jahren auf mich zubewegt“, sagt Palmer und erwähnt als Beispiele Windparks sowie sein Herzensprojekt, die Regional-Stadtbahn Neckar-Alb. Und zum anderen weg von einer „illusionären Flüchtlingspolitik“, denn diese habe massive Auswirkungen auf die Finanzen.

„Es geht ums Geld. Die Kreisfinanzen sind in tiefem Sinkflug – das reißt uns in Tübingen mit“, sagt Palmer. Grund seien immer mehr Aufgaben, die den Städten und Gemeinden sowie den Kreisen aufgeladen würden, etwa in der Flüchtlingspolitik. Es gehe ihm sowohl um den Kreishaushalt als auch um die Finanzen der Stadt Tübingen. 60 Millionen Euro müsse die Universitätsstadt laut Planungen im nächsten Jahr an Kreisumlage zahlen. „Das ist eine sehr steuerkraftstarke Stadt, das freut die anderen Städte und Gemeinden, die weniger Kreisumlage zahlen müssen“, sagt der FWV-Fraktionschef Hölsch.

FWV-Fraktionschef Hölsch: „Wir wollen die stärkste Fraktion im Kreistag werden“

Wenn es künftig um die Höhe der Kreisumlage geht und darum, wie viel Geld für Projekte nach Tübingen fließt, will Palmer im Kreistag mitentscheiden. Das sei zu den Zeiten in seiner früheren Partei nicht möglich gewesen, die Grünen hätten den Grundsatz verfolgt, dass kein Bürgermeister im Kreistag sitzen dürfe. Zudem will Palmer über seine Kandidatur bei der Freien Wähler Vereinigung wieder in den Verwaltungsrat der Kreissparkasse einziehen. „Es geht also doppelt ums Geld“, sagt er.

Die FWV freut sich auf die prominente Personalie in ihren Reihen: „Kommunalwahlen sind Persönlichkeitswahlen. Und Boris Palmer ist über Tübingen hinaus bekannt. Wir hoffen, dass er uns viele Stimmen bringt“, sagt Hölsch. Das Ziel sei klar: „Wir wollen die stärkste Fraktion im Kreistag werden.“ Bisher sind das die Grünen. Damit würde Palmer also an seinen ehemaligen Parteikollegen vorbeiziehen.