Hilflos im Grünen: ein Kitz Foto: privat

Mit Drohne, Wärmebildkamera und Unterstützung vom Amt: Hinter den Kitzrettern im Landkreis liegen anstrengende Wochen – und gute.

Jäger schießen nicht nur Rehe, sie retten ihnen auch das Leben. Die Kitzretter der Kreisjägervereinigungen Böblingen und Leonberg haben im vergangenen und in diesem Jahr insgesamt fast 500 Rehkitze davor bewahrt, von riesigen Rasenmähern zerhäckselt zu werden.

Die Retter sind beim Landratsamt angestellt

Beim Abmähen von Wiesen durch große Mähmaschinen passiert es immer wieder, dass Rehkitze verletzt und getötet werden, die sich im hohen Gras verstecken. Inzwischen hat sich die Kitzrettung per Drohne und Wärmebildkamera im Land etabliert. Der Kreis Böblingen hat zudem, wie er in einer Mitteilung schreibt, mit den beiden Kreisjägervereinigungen „ganz neue und höchst effiziente Wege beschritten“.

So wurden nicht nur drei Drohnen mit modernster Wärmebildtechnik beschafft, welche den Jägern überlassen wurden. Aus deren Reihen haben sich auch rasch ehrenamtliche Drohnenpiloten für die Kitzrettung angeboten. Diese Piloten werden beim Landratsamt im Amt für Veterinärdienst und Lebensmittelüberwachung als Verwaltungshelfer angestellt. Dies beinhaltet zwar keine Vergütung, wohl aber Versicherungsschutz und die Übernahme der Fahrt- und Fortbildungskosten. So kann ehrenamtliches Engagement von Seiten der öffentlichen Hand unterstützt werden. Inzwischen haben sich kreisweit 30 Jäger als Verwaltungshelfer anstellen lassen.

Kein Kontakt zum Tier

Originär verantwortlich für die Vermeidung von Mähunfällen sind die Landwirte. Diese melden sich bei ihrem Jagdpächter und dieser wiederum stellt den Kontakt zu den Drohnenteams der Kreisjägervereinigungen her. Zum geplanten Mähtermin treffen sich die Beteiligten gegen vier Uhr am Morgen an den fraglichen Flächen. Zu dieser Zeit können die Wärmebildkameras die Kitze noch gut erfassen.

Wird ein Kitz entdeckt, wird dieses von Helfern eingefangen, in einer Box außerhalb der zu mähenden Fläche sicher abgelegt und nach der Mahd wieder freigelassen. Ein Teil der Kitze wird für ein Forschungsprojekt der Wildforschungsstelle Aulendorf markiert um wissenschaftliche Erkenntnisse über die heimische Rehwildpopulation zu erhalten. Das Einfangen muss dabei so erfolgen, dass möglichst keine menschlichen Geruchsspuren am Kitz verbleiben. Andernfalls könnte das Muttertier ihr Kitz eventuell nicht mehr annehmen. Die Kitzsaison umfasst grob die Monate Mai und Juni. Danach sind die Tiere alt genug, um selbst zu fliehen.

Dank für lange Tage

Insgesamt rückten die Kitzretter in den Jahren 2022 und 2023 zu 406 Einsätzen im Kreis aus, dabei haben sie 349 Kitze in Boxen fixiert, weitere 149 sind abgesprungen. Insgesamt konnten so fast 500 Kitze entdeckt und gerettet werden. Der Landrat Roland Bernhard (parteilos) würdigte dieses Engagement als „außerordentlich“. Es sei hart, täglich ab drei Uhr aufzustehen, mehrere Hektar Wiesenflächen zu kontrollieren und danach in die reguläre Arbeit zu gehen. „Ich habe höchsten Respekt davor.“

Fragen und Antworten

Worüber freuen sich die Kitzretter?
Die zunehmende Bekanntheit ihres Engagements bei Landwirten und Jagdausübungsberechtigten und damit die zunehmende Anzahl der geretteten Kitze.

Worüber wundern sich die Kitzretter?
Tatsächlich werden sie – wenn auch glücklicherweise sehr selten – mit der Aussage konfrontiert, dass die Tiere doch im Herbst ohnehin erlegt würden und zudem die geretteten Kitze ja dem Wald schaden würden. Dazu eine Klarstellung durch Herrn Dr. Hornauer, Leiter des Veterinäramtes in Böblingen: „Ein Tier darf nach dem Tierschutzgesetz nur dann getötet werden, wenn es dafür einen sog. vernünftigen Grund gibt. Die Rehe im Herbst und Winter waidgerecht zu erlegen und daraus ein anerkanntermaßen wertvolles, regionales Lebensmittel zu gewinnen, ist ein vernünftiger Grund im Sinne des Tierschutzgesetzes. Die Kitze einem grausamen Mähtod zu überlassen, ist kein vernünftiger Grund und bei unterlassener Sorgfaltspflicht ist sogar das Vorliegen einer Straftat zu prüfen.“

Was wünschen sich die Kitzretter?
Dass möglichst alle Landwirte von ihrem Angebot Gebrauch machen und die Zahlen für die Saison 2024 noch beeindruckender ausfallen.