Einzigartiger Fund in der Stiftskirche St. Servatii in Quedlingburg: In dieser Vertiefung in der Krypta wurden Mitglieder aus dem Herrschergeschlecht der Ottonen getauft. Foto: dpa/Matthias Bein

In der Stiftskirche von Quedlinburg haben Archäologen den Standort eines Taufbeckens der Ottonen-Herrscherdynastie aus dem 10. Jahrhundert ausgegraben. Es ist der älteste Nachweis eines Taufbeckens mit vier Bögen nördlich der Alpen und ein Symbol königlicher Macht im Hochmittelalter.

In der Stiftskirche St. Servatii in Quedlinburg in Sachsen-Anhalt ist der Standort eines Taufbeckens des mittelalterlichen Herrschergeschlechts der Ottonen aus dem zehnten Jahrhundert entdeckt worden.

Aus Sicht der Archäologen ist es der älteste Nachweis eines vierpassförmigen Taufbeckens - also ein Taufbecken mit vier Bögen - nördlich der Alpen. Quedlinburg steht seit 1994 auf der Unesco-Weltkulturerbe-Liste.

Authentischer Ort der Taufe einer Herrscherdynastie

Aus Sicht der Archäologen ist es der älteste Nachweis eines vierpassförmigen Taufbeckens, also ein Taufbecken mit vier Bögen, nördlich der Alpen. Foto: dpa/Matthias Bein

„Das Sensationelle ist, dass hier der einzige authentische Ort entdeckt wurde, an dem Mitglieder des deutschen Herrschergeschlechts der Ottonen getauft wurden“, sagt Landesarchäologe Harald Meller. „Mathilde, die hier getauft wurde, vertrat Otto III., als er mit seiner Frau in Italien war. Sie war damit faktisch die Herrscherin und Quedlinburg war der zentrale Ort der Macht.“

Bildnis Otto I. des Großen in der Kiserpfalzin Memleben, einem Ortsteil der Gemeinde Kaiserpfalz im Burgenlandkreis in Sachsen-Anhalt. Foto: Imago/Steffen Schellhorn

Möglich wäre, dass Herzog Heinrich I. von Bayern (um 922-955) hier getauft wurde. Ebenso könnten Mathilde (955-999), die Tochter von Kaiser Otto dem Großen und Kaiserin Adelheid und erste Äbtissin des Stiftes Quedlinburg sowie Adelheid I. (977-1044), die folgende Äbtissin und Tochter des Kaiserpaars Ottos II. und der Byzantinerin Theophanu, in Quedlinburg das Sakrament der Taufe empfangen haben.

„Es gibt vieles, was die Unesco-Welterbestadt Quedlinburg einzigartig macht, nun kommt mit dem aufgedeckten Taufbeckenstandort aus dem zehnten Jahrhundert ein weiteres Alleinstellungsmerkmal hinzu“, erklärt Staatsminister und Minister für Kultur Rainer Robra (CDU).

In Sandstein geschlagener Vierpass

Der Standort des Taufbeckens wurde in der Krypta der Stiftskirche St. Servatii entdeckt und freigelegt. Foto: dpa/Matthias Bein

Bei den archäologischen Untersuchungen wurde in der Krypta von St. Servatii ein in Sandstein geschlagener etwa 50 Zentimeter tiefer und zwei Meter breiter Vierpass aufgedeckt. Der Vierpass ist ein häufiges Ornament der Romanik und der Gotik. Er besteht üblicherweise aus vier Kreisbögen mit gleichen Radien, die einem Kreis einbeschrieben sind. In der Architektur wurden Vierpässe bei der Gestaltung von Fenstern genutzt oder bei der Dekoration von Wandflächen.

Die Wände dieser Vertiefung waren aufwendig mit Stücken aus Hochbrandgips ausgekleidet, bei denen es sich um Fragmente eines vormaligen Fußbodens handelt.

Diese Bettung nahm das Taufbecken auf, das sich selbst nicht erhalten hat, aber vermutlich aus hochwertigem Material bestand. Später, aber ebenfalls noch im zehnten Jahrhundert, wurde die Standfläche aus bislang noch unbekannten Gründen erhöht.

Zeremonie des Taufrituals

Die Täuflinge wurden kreuzförmig, in Richtung der Vierpässe, in das Wasser getaucht. Foto: dpa/Matthias Bein

Im Christentum ist die Taufe ein wichtiges Sakrament, das die Hoffnung auf Erlösung verspricht. Getauft wurde im zehnten Jahrhundert, anders als heute üblich, einmal im Jahr, am Karsamstag, als Kollektivtaufe von Säuglingen beziehungsweise Kleinkindern durch Untertauchen.

Die Täuflinge wurden kreuzförmig, in Richtung der Vierpässe, in das Wasser getaucht, mit zunächst nach Osten, dann nach Norden und abschließend nach Süden gerichtetem Haupt. Dabei wurde die Taufformel „Ich taufe dich im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“ gesprochen. Die Zeremonie wurde bei Kerzenschein und Weihrauch durchgeführt und durch liturgische Gesänge und Litaneien begleitet.

Herrschaft der Ottonen

Otto I. der Große in der Schlacht auf dem Lechfeld, 10. August 955. Es war der entscheidende Sieg für ihn über die Ungarn (Holzschnitt aus dem Jahr 1881). Foto: Imago/H. Tschanz-Hofmann

Die Bezeichnung Ottonen geht auf die drei liudolfingischen Kaiser Otto I. (936–973), Otto II. (973–983) und Otto III. (996-1002) zurück.

Bereits zu Regierungszeiten von König Heinrich I. (um 876-936, König des Ostfrankenreiches von 919-936) aus dem Geschlecht der sächsischen Liudolfinger war Quedlinburg einer der Hauptorte der Herrscherdynastie der Ottonen. Sie wurde durch Heinrichs I. Sohn, den ersten Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, Otto den Großen (912-973) begründet.

Otto I. gilt als einer der bedeutendsten Herrscher im frühen Mittelalter. Nach der Abwehr von Normannen, Ungarn und Sarazenen erlebte Europa in seiner Zeit einen unvergleichlichen wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung. Unter anderen bildete sich in Ansätzen das heutige Gefüge der Nationalstaaten heraus.

1000 Jahre altes Kindergrab aus Ottonen-Zeit

Im Juni 2021 war auf der Königspfalz Helfta bei Eisleben in Sachsen-Anhalt ein rund 1000 Jahre altes herrschaftliches Grab eines vier bis fünf Jahre alte Kinds aus einem Geschlecht aus der Ottonen-Zeit entdeckt worden.

Der Sarkophag besteht aus sorgfältig bearbeitetem, weißen Muschelkalk. Der Umriss des Körpers des Kindes ist genau ausgearbeitet – ein länglich trapezförmiger Hohlraum und eine extra Rundung für den Kopf. Das Grab misst 1,25 Meter Länge und 30 bis 45 Zentimeter Breite.