Viele Kunden bringen eigene Taschen zum Markt mit. Plastikverpackungen lassen sich bisher aber trotzdem nicht vermeiden. Foto: Lichtgut

Die Stadt Stuttgart will bis Jahresende die Wochenmärkte plastikfrei machen. Das ist ein ehrenhaftes Ziel. Doch es geht an der Realität vorbei.

Stuttgart - Allzu viel Mut hat die Stadt nicht bewiesen, als sie ausgerechnet die Wochenmärkte auserkoren hat, um in Umweltfragen voranzugehen. Dort gibt es ohnehin viele Produkte unverpackt. Die meisten Kunden bringen Korb oder Tasche zum Einkaufen mit. So wie’s früher schon die Oma gemacht hat, als Plastiktüten noch nicht allgegenwärtig waren.

Allerdings gab es da auch nicht die strengen Vorschriften zur Hygiene. Nicht die Feinkosthändler mit Oliven, Fetakäse und anderen Produkten, die man nicht in Jutetaschen stecken kann. Und nicht die Tatsache, dass viele Kunden berufstätig sind und zwischendurch mal schnell auf dem Markt vorbeischauen, ohne passende Gefäße oder anschließend Aufbewahrungsmöglichkeiten zu haben.

Es ist deshalb ehrenwert, aber ziemlich an der Realität vorbei, den plastikfreien Wochenmarkt auszurufen. Und das auch noch binnen weniger Monate bis zum Jahresende. Selbst an den Ständen auf den 29 Stuttgarter Märkten kann man die ungeliebten Plastikprodukte nicht einfach ersatzlos in die Tonne treten. Ein solches Projekt mag nett klingen und das ökologische Gewissen einer Verwaltung unterstreichen. Es ist aber auch ein Stück weit Augenwischerei.

Soll das ehrgeizige Ziel zumindest in fernerer Zukunft erreicht werden, muss die Stadt die Händler besser unterstützen. Fragen der Hygiene müssen geklärt, Vorschriften angepasst werden. Noch viel sinnvoller wären jedoch neue Verpackungsformen, die bezahlbar, praktisch, wetterfest und umweltfreundlich zugleich sind. Solche Innovationen aber hat eine Stadtverwaltung nicht selbst in der Hand – und kein noch so ehrenvolles Projekt kann sie ersetzen.

juergen.bock@stuttgarter-nachrichten.de