Nicht alle Händler sehen die Möglichkeit, auf Plastik zu verzichten. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Im Juni hat Oberbürgermeister Fritz Kuhn per Glocke symbolisch den plastikfreien Stuttgarter Wochenmarkt eingeläutet. Bis Jahresende soll das Ziel erreicht sein. Doch eine Stichprobe zeigt: Der Weg ist noch weit.

Stuttgart - Besser könnte es nicht sein. Am Marktstand von Jürgen Leutenecker aus Remseck ist das Vermeiden von Verpackungsmüll ein großes Thema. Wer auf dem Marienplatz bei ihm Obst und Gemüse kauft, bringt in der Regel Korb oder Tasche mit. Selbst erdige Kartoffeln laden die Kunden direkt in den Rucksack. Und wer nichts dabei hat? Wird mit Schildern aufgeklärt. „Wir möchten Plastik vermeiden“ steht da zu lesen. Deshalb gibt es große Markttaschen oder Baumwollnetze zu kaufen. Dünne durchsichtige Tütchen, wie man sie aus dem Supermarkt kennt, gibt es zwar auch, aber sie kosten fünf oder zehn Cent und sind auf der Basis von Maisstärke hergestellt.

„Die Kunden bringen meistens ihre eigenen Taschen mit“, erzählt Leutenecker. Man weise sie aber auch aktiv auf die Müllvermeidung hin. Tüten gehen deshalb fast keine mehr über den Tisch. Nur bei Regen gibt es hin und wieder Probleme, weil Papiertüten dann aufweichen.

So wie an diesem Stand wünscht sich Oberbürgermeister Fritz Kuhn die Zustände wohl bei allen Beschickern. Öffentlichkeitswirksam ist er im Juni mit einer Testfamilie zur Einkaufstour losgezogen und hat den plastikfreien Stuttgarter Wochenmarkt ausgerufen. Bis Jahresende, so das ehrgeizige Ziel, sollen alle 200 Beschicker auf den 29 Märkten in der Stadt weit gehend auf das umweltbelastende Material verzichten. Doch wie realistisch ist das?

Kunden sind angetan

Ein Rundgang über mehrere Wochenmärkte zeigt: Sowohl Umsetzung als auch Meinungen gehen weit auseinander. Weniger bei den Kunden. Die sind grundsätzlich positiv gestimmt. „Ich finde die Aktion gut“, sagt eine ältere Dame, die mit Korb unterwegs ist. Und sie fügt an: „Aber ganz ehrlich muss man sagen, dass Leute, die auf dem Wochenmarkt einkaufen, ja schon immer ihre eigenen Behältnisse mitgebracht haben. Die sind ohnehin umweltbewusst.“

Ganz direkt von „Symbolpolitik“ spricht dagegen ein Beschicker. Bei offenem Obst und Gemüse sei Plastikfreiheit möglich, bei vielem anderen dagegen nicht. „Die Geschichte ist nicht durchdacht“, hört man auch bei anderen Händlern immer wieder. Die Meinung dazu hängt sehr vom verkauften Produkt ab. „Manche bringen eigene Behälter mit. Viele Leute, die zu uns kommen, sind aber berufstätig. Die sind froh, wenn wir noch Plastikbecher anbieten können“, sagt ein Feinkosthändler. Oliven und andere Produkte ließen sich nicht einfach in Taschen packen. „Alternativen dazu gibt es eigentlich nicht. Wir haben schon an Glas gedacht, aber dann müssten wir ein Pfandsystem einführen. Und gefährlich ist das auch – geht ein Glas kaputt, müssen wir wegen der Scherben unsere Ware wegschmeißen“, kritisiert er.

Gerade aus dem Kreis von Fisch-, Käse- oder Feinkosthändlern kommt noch ein ganz anderer Vorbehalt: Wer von den Kunden mitgebrachte Behälter verwendet, betritt einen schmalen Grat. Denn aus hygienischen Gründen gelten dafür strenge Vorschriften. „Die Keime von zu Hause will und darf keiner hinter der Theke haben“, sagt eine Verkäuferin. Da bewege man sich schnell „im Grenzbereich“. Doch generell staune man immer wieder, wie präsent das Thema Umweltbewusstsein inzwischen bei vielen sei.

Ziel ist nicht komplett zu erreichen

Die Probleme sind auch bei der Märkte Stuttgart GmbH bekannt. „Dennoch sind wir und auch viele Beschicker überrascht, wie viele Kunden mitmachen“, sagt Geschäftsführer Thomas Lehmann. Bereits jetzt würden viele Plastiktüten vermieden. Dabei gehe es inzwischen sogar um die Frage, was Händler mit den Restbeständen machen können, die sie nicht mehr in vollem Umfang brauchen. Das soll auf einer Beschickerversammlung in einigen Tagen geklärt werden. Insgesamt laufe die Aktion „gut an“, so Lehmann. Es habe generell ein Umdenken eingesetzt. Ende Oktober soll es dann auch eine Erhebung dazu geben. Inzwischen lägen schon Anfragen zu der Aktion aus Köln, München und anderen Städten vor.

Er räumt ein, dass es gerade bei sogenannter Nassware nicht ganz einfach ist, Plastik zu vermeiden. Einige Beschicker hätten wiederverwendbare Gläser besorgt, die sie zum Selbstkostenpreis verkaufen. Eine aufgeschnittene Melone etwa könne man aber nur in Plastik verpacken, weil Alternativen wie Bienenwachsfolie in diesem Fall viel zu teuer seien. Und was die Hygiene beim Verwenden von mitgebrachten Gefäßen betrifft, sollen die Beschicker einen Leitfaden bekommen, um auf der sicheren Seite zu sein. Klar ist aber, dass sie laut Richtlinie einen speziellen Übergabeplatz einrichten müssen, wo das Gefäß auf Sauberkeit inspiziert wird und auch beim Befüllen verbleiben muss.

„Man muss sehen, wo wir am Jahresende sind. Zu hundert Prozent werden wir die Plastikfreiheit nicht erreichen“, räumt Lehmann ein. Darum gehe es aber auch gar nicht: „Wir wollen da, wo es möglich ist, einen kleinen Beitrag leisten.“