Bayrische Bereitschaftspolizisten bewachen in diesem April während eines Verhandlungstages im Osmanen-Verfahren den Eingang zum Stammheimer Gerichtsgebäude. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

19-jährige Schülerin habe Levent Uzundal in fünf Monaten mindestens 35 000 Euro Dirnenlohn übergeben. Der Chef-Osmane habe die junge Frau geschlagen und mit dem Messer bedroht.

Stuttgart - Die Stimme des Mannes überschlägt sich: „Pack’ Deine Sachen!“ Er wechselt ins Türkische, dann wieder ins Deutsche. Im Hintergrund leise eine Frau. Irgendwann ist ein Schlag zu hören. „Ja, denn hab’ ich bekommen“, erzählte die junge Frau.

Anderthalb Jahre nach dem Schlag wurde das Audio des Vorfalles jetzt im Stammheimer Osmanen-Verfahren vor dem Stuttgarter Landgericht abgespielt. Es belastet Levent Uzundal, den früheren Anführer der Stuttgarter Filiale des „Osmania Germania Boxclubs“ und Waffenmeister des osmanischen Weltvereins. Ihm wirft der Staatsanwalt vor, seit Spätsommer 2016 eine damals 19-jährige Schülerin zur Prostitution gezwungen zu haben. Bis Februar 2017 habe die ihm 35 000 Euro Dirnenlohn übergeben.

Kennengelernt habe sie Uzundal über das soziale Netzwerk Facebook, erzählte die junge Frau: „Als Mann fand ich ihn uninteressant. Aber dass er Präsident der Osmanen war, das hat mich beeindruckt. Das machte etwas her.“ Schon bei einem der ersten realen Treffen machte Uzundal klar, das sich bereits eine Frau für ihn prostituiere. Wenn die Zeugin statt ihr mit ihm zusammen sein wolle, müsse sie Geld verdienen.

Erst schickte sie Uzundal 1000 bis 1500 Euro in die Türkei, weil dem Chef-Osmanen während seines Urlaubes das Geld ausgegangen sei. Seit September oder Oktober 2016 habe sich die Schülerin dann für käuflichen Sex angeboten: „Er hat mich dazu nicht gezwungen. Ich habe freiwillig damit angefangen, weil ich in ihn verliebt war.“

Laufhäuser und Hotels vorgeschlagen

Uzundal habe ihr Laufhäuser und Hotels vorgeschlagen. Nur nicht in Stuttgart „weil mich da viele Leute kennen“. Er habe Vorgaben gemacht: „nicht küssen“, kein Oralsex „ohne Kondom“, Preise für Zusatzleistungen. Fünf Tage habe sie anschaffen müssen, montags und dienstags habe sie nach Hause gedurft. Zwei Wochen, nachdem sie sich in München erstmals angeboten habe, habe Uzundal angefangen, sie zu schlagen.

Der Grund: Der Osmane hatte immer noch eine Beziehung zu der anderen Frau, die sich für ihn prostituiert. Offiziell ist er seit diesem Frühjahr mit ihr verlobt – kurze Zeit vor Prozessbeginn. Die Frau hat somit ein Zeugnisverweigerungsrecht. Der Zeugin habe Uzundal vorgehalten, ihre Konkurrentin „bringt mindestens 800 Euro am Tag“. So sei sie immer wieder mit Uzundal in Streit geraten, der sie dann bedroht und geschlagen habe. Die im Gerichtssaal vorgespielte Audio-Datei hatte Uzundal mitgeschnitten, um damit seiner anderen Geliebten zu beweisen, dass er sich von der Zeugin getrennt habe.

Täto soll aus der Hand geschnitten werden

Die habe er einmal in Bad Cannstatt einen Hang hinuntergeschubst und sie dann mit einem Messer bedroht. Ein anderes Mal habe er gedroht, ein Osmane werde ihr den eintätowierten Namen Uzundals aus der Hand schneiden.

Am 3. Februar 2017 will die Frau zudem mitbekommen haben, wie Uzundal zum osmanischen Welt-Vize Selcuk Sahin nach Frankfurt beordert worden sei. Dort sei ihm „das OK gegeben“ worden, den Gießener Osmanen-Querulanten Celal Sakarya in Herrenberg zu bestrafen. Die Aktion in der Maicostraße 10 sei aber schlimmer ausgefallen, als von Sahin und Uzundal geplant. Sakarya waren Zähne ausgeschlagen und ins Bein geschossen worden. „So krass wollte es der Selcuk nicht, laut Levent seiner Aussage. Der Levent wollte es auch nicht so krass.“

Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin

Zweifel an der Glaubwürdigkeit der jungen Frau haben Uzundals Verteidiger Markus Bessler und Hans Steffan. Sie gehen davon aus, dass sich die Schülerin schon prostituierte, bevor sie ihren Mandanten kennenlernte. So verweigerte die junge Frau denn auch die Aussage, woher sie als Hartz-IV-Empfängerin die 1500 Euro hatte, die sie Uzundal in die Türkei schickte. Gegen die Frau ermittelt die Staatsanwaltschaft Ulm auch wegen Sozialhilfebetrugs, Betrugs und Beleidigung. Sie soll mit einen älteren Mann ein Verhältnis gehabt und diesen ausgenommen haben.

Am Rand der Gerichtsverhandlung beschlagnahmten Polizisten bei einer Besucherin eine Kapuzenjacke mit dem Emblem des im Juli verbotenen Osmanen Germania Boxclubs. Die heranwachsende Tochter einer Geliebten Selcuk Sahins hatte den Hoodie mit dem Kriegerkopf vor dem Stammheimer Gericht getragen. Ihr droht eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe.