Stefan Rohrer und seine Skulptur „Vespa azzurro chiaro“: An diesem Freitag wird die Ausstellung eröffnet. Foto: Marius Venturini

Seine Skulpturen zeichnen sich mit comichaftem Schwung aus.

Kornwestheim - Motorisierte Fortbewegungsmittel hatten eine Zeit lang in Stefan Rohrers Leben so gar keinen Platz. „Irgendwann kamen meine Freunde, unser Jugendzentrum, wir waren alle ganz öko, links und politisch korrekt, da musste ich meine Autos begraben“, sagt der Künstler, 1968 in Göppingen geboren. Sein Vater hatte ihm das Zeichnen beigebracht – und eigentlich wollte Rohrer tatsächlich Autodesigner werden. Zwar zeichnete er munter weiter, widmete sich dann aber 1987 erst einer Steinmetzlehre, ließ sich später zum Meister ausbilden und im Anschluss ein Bildhauerei-Studium in Halle an der Saale folgen. Und später, nach dem Besuch der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart, „tauchten dann so nach und nach die Autos wieder auf“.

Autos, Roller und Motoren stehen auch im Mittelpunkt der Ausstellung, die an diesem Freitagabend mit einem sogenannten „Soft Opening“ im Kornwestheimer Kleihues-Bau eröffnet wird – und die den Titel „Speed Lines“ trägt. Doch die Karossen, die da im Museum zu sehen sind, sehen dann doch ein wenig anders aus. Geschwungene Linien dominieren, vieles hat einen comichaften Charakter. Wenn sich zum Beispiel eine hellblaue Vespa um eine Straßenlaterne wickelt, wohnt der Installation zwar die Dramatik einer Kollision inne. Ein komisches Element ist dennoch fast greifbar.

Zwischen Unfall und Humor

Museumsleiterin Saskia Dams drückt es beim Pressetermin im Vorfeld der Eröffnung so aus: „Hier verbindet sich das Thema Unfall mit Humor – aber nicht mit erhobenem Zeigefinger.“ Geschwindigkeit könne auch stets Kontrollverlust bedeuten. „Die extreme Dehnung, fast wie Kaugummi in die Länge gezogen und flexibel, lässt die Werke fast schon lebendig erscheinen“, fügt die Expertin hinzu. Und bei Rohrers Skulptur „Turbo“, die einen lang gestreckten Porsche 924 mit offener Haube zeigt, der sich gerade einiger Bauteile entledigt – da erkennt Dams „menschliche Züge, wie eine Grimasse. Das Auto reißt seinen Schlund auf, die Utensilien werden ausgespien.“

Als Vorbild dienen sicherlich Comics und die symbolhafte Darstellung von Bewegung – mit Hilfe ebenjener „Speed Lines“. Saskia Dams verortet in Rohrers Arbeiten zudem Referenzen zur Rennsportfotografie und dem italienischen Futurismus. Zur Jahrhundertwende habe dabei das Automobil als Symbol des Fortschritts gegolten. Aber auch die Museumsleiterin nennt als Vergleich Rennsportcartoons wie „Michel Vaillant“ des französischen Zeichners Jean Graton. Rohrer selbst sieht als Einfluss einen weiteren Franzosen: Jean Henri Gaston Giraud alias Moebius. „Die Ideen hinter seinen dystopischen Zeichnungen faszinieren mich.“

Alles beginnt mit einem Modell

Wie entstehen aber nun Rohrers Werke? „Am Anfang fertige ich ein Modell an, etwa im Maßstab 1:20“, sagt er, „da kann man noch viel ausprobieren.“ Und dann gehe es los, vornehmlich mit Schlosserarbeiten. Rohrer sägt die Originalfahrzeuge auseinander, schweißt ein Rohrgerüst, fügt es ein, beachtet Gewichtsverteilung und Statik und installiert Blechplatten. Zuletzt folgt der gekonnte Farb-Überzug. Die Autos oder Motorroller, die er dabei bearbeitet, kauft er mal selbst, mal sind es Geschenke. Besagter Porsche zum Beispiel diente jahrzehntelang vor den Stuttgarter Wagenhallen als Sitzgelegenheit, bevor er in den Besitz des Künstlers wechselte. „Den hatte jemand gekauft und den Motor ausgebaut, weil der den für seinen Campingbus gebraucht hat.“

Apropos Motoren: Auch die finden sich im Kleihues-Bau – natürlich auch in abgewandelter Form. Denn Stefan Rohrer baut nicht nur Skulpturen, er zeichnet auch. Inspirieren lässt er sich dabei von den Dingen in seiner Werkstatt. Und da stehen auch gerne ausgebaute Triebwerke von Autos herum. Die bringt er dann zu Papier, nicht mit Tusche oder Bleistift, sondern mit dem unterschiedlich verschmutzten Altöl, das er in ihnen vorfindet. Auf den Bildern werden Leitungen zu Tentakeln, auch hier fließt alles. Das Öl sorgt mit der Zeit für einen interessanten Schein. „Die Bilder malen sich dann selber fertig“, sagt Stefan Rohrer.

Die Vernissage zu „Speed Lines“ findet an diesem Freitag von 17 bis 21 Uhr statt. Stefan Rohrer ist persönlich anwesend. „Die Gäste werden gebeten, die zu dem Zeitpunkt geltenden Zugangsbeschränkungen zu beachten“, schreibt die Stadt. Im Museum gilt die 2G-Regel. Die Ausstellung läuft bis 24. April, geplant sind zahlreiche Angebote zur Begleitung.