Neben der Podiumsdiskussion ist in Kornwestheim auch ein gemeinsamer Gottesdienst gefeiert worden. Foto: Peter Mann

Bei einer Podiumsdiskussion am Katholikentag tauschen sich Länder über Religion aus.

Diese Veranstaltung hätte wahrlich das Zeug dazu gehabt, auch an einem zentraleren Ort stattzufinden. Die Podiumsdiskussion „Fundamente, Krisen und Herausforderungen der Kirche auf drei Kontinenten“ im Martinussaal stieß nämlich am Katholikentag bei zahlreichen Zuhörern auf großes Interesse und zog mehr Besucher an, als so manche Veranstaltung im Herzen der Landeshauptstadt Stuttgart.

Durch seine zahlreichen Kontakte nach Argentinien lag es für Pfarrer Franz Nagler nahe, den Fokus auf Südamerika zu setzen. Zudem besteht schon seit vielen Jahren ein guter Kontakt nach Asien zum Behindertenheim Vincente in Vietnam. „Ich bin gespannt auf die Standpunkte“, betonte der Erste Bürgermeister Daniel Güthler in seiner Begrüßung.

Jugendliche fehlen in südamerikanischer Kirche

Der argentinische Pater Sergio Lamberti bot in präziser Wortwahl zunächst einen Rückblick auf die Geschichte der südamerikanischen Kirche. Die dortigen Befreiungstheologen handelten nach der Maxime „Die Kirche sieht in den Armen das Gesicht Jesu“ und richteten daher ihre Arbeit besonders auf die armen Jugendlichen aus. Im Laufe der Jahre seien so Basisgemeinden entstanden, in denen aber auch Frauen eine wichtige Rolle spielten. Inzwischen blieben aber mehr und mehr die Jugendlichen weg – weil sie überhaupt keine Perspektive mehr für sich sähen. „Wir hatten in den letzten Jahren 16 Selbstmorde“, berichtete der Pater sichtlich betroffen. Inzwischen sei in seinem Land der Neoliberalismus nicht nur in der Ökonomie, sondern auch in der Gesellschaft vorherrschend.

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„Dies ist uns auch vertraut“, berichtete Schwester Lan aus Vietnam. Sie erzählte vom Leben in dem Behindertenheim und hatte erfreuliche Zahlen im Gepäck: „Bei uns kommen zu kirchlichen Versammlungen auch mal 40 000 Jugendliche.“ Viermal mehr junge Männer wollten ins Priesteramt als es dafür Plätze gebe. Die Gottesdienste seien so gut besucht, dass es sogar eigene Termine für Junge oder Ältere gebe. „Als Lan das erste Mal hier in einer Messe war, fragte sie mich, ob die speziell für Senioren sei“, erzählte Lans langjähriger Wegbegleiter und Übersetzer Pater Stefan Täubner schmunzelnd. Er selbst ist Ansprechpartner für vietnamesische Katholiken in Leipzig und Umgebung: „Ich musste ihr sagen, dass es leider bei uns in den Messen oft so aussieht.“

Glaube verschwindet in Deutschland

In Deutschland gebe es inzwischen eine „Religion des Nicht-Glaubens“, ergänzte Pfarrer Franz Nagler: „Die Kirche spricht nicht mehr die Sprache der Leute.“ Reformen würden immer weiter verschleppt. Dabei sei die seelsorgerliche Begleitung der Gläubigen doch eigentlich das Wichtigste.

Wie die Menschen in Argentinien ihren Papst inzwischen sehen, wollte Moderatorin Susanne Mathes wissen. Sie hätten vor allem erst lernen müssen, dass er nicht ihnen allein gehöre, sondern der ganzen katholischen Christenheit, antwortete Sergio Lamberti.

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Größere Umweltprobleme gibt es auch im direkten Umfeld der beiden Podiumsteilnehmer, erfuhr Susanne Mathes als Antwort auf ihre diesbezügliche Frage. In Schwester Lans Region gab es Straßenblockaden als Antwort auf die Umweltsünden einer chinesischen Firma. Bei Pater Sergio geht es dagegen in zwei aneinander angrenzenden Provinzen nahe seines riesigen Seelsorgebezirks um den umweltschädigenden Lithiumabbau. In der einen wird dagegen massiv protestiert: In Folge dessen wurden schließlich sogar vier engagierte Jugendliche ermordet. Als weitere Strafe verhindert die Abbaufirma jeglichen Kapitalzuschuss und blockiert die Bewässerung in diesem extrem trockenen Gebiet. In der Nachbarprovinz dagegen hat man die Firma willkommen geheißen und bekommt dafür Geld und Möglichkeiten der künstlichen Bewässerung.

Dennoch fasste Franz Nagler es am Ende so zusammen: „Die Kirchen aus anderen Kontinenten können uns Mut machen.“