Das Abendmahl Foto: dpa

Pfarrer Franz Nagler im Interview zum Katholikentag mit dem Motto „Leben teilen“.

Am Mittwoch beginnt der Katholikentag in Stuttgart. Mit einem Podiumsgespräch und zwei Gottesdiensten beteiligt sich auch die Kornwestheimer St.-Martinus-Gemeinde an dem Programm.

Herr Nagler, Kornwestheim ist nicht Stuttgart. Warum macht Ihre Gemeinde trotzdem beim Katholikentag mit?

Zum einen liegt Kornwestheim gleich neben Stuttgart. Zum anderen hat uns das Thema „Leben teilen“ angesprochen, dem wir uns als St.-Martinus-Gemeinde schon seit Jahrzehnten verschrieben haben – mit unseren Anstrengungen hier vor Ort und in Kontakten mit Gemeinden aus der ganzen Welt, insbesondere aus Vietnam und aus Argentinien.

Rechnen Sie mit vielen Katholikentagsbesuchern in Kornwestheim?

Das ist ganz schwer einzuschätzen. Die Veranstaltung und die beiden Gottesdienste werden sicherlich mehr von unserer eigenen Gemeinde und den Menschen aus Kornwestheim getragen werden.

Warum sind Ihnen die Kontakte nach Vietnam und Argentinien so wichtig?

Weil sie uns einen anderen Blick auf die Kirche ermöglichen, weil sie uns bereichern und in dem befruchten, was wir als Kirche verstehen.

Die hierarchischen Strukturen gerade in der katholischen Kirche machen Veränderungen sehr schwer, vielleicht ja sogar unmöglich. Wäre es da nicht einfacher, sich auf die Kirche im eigenen Land zu konzentrieren?

Die Hierarchie sehen wir auch, und wir leiden sehr darunter, weil sie Veränderungen erschweren. Aber wir dürfen nicht verkennen, dass Europa, was die Lage der Kirche betrifft, eine Sonderstellung einnimmt. Während in Europa die Kirchen eher schrumpfen, wächst das Christentum weltweit. Auch müssen wir uns von einer europazentrierten Weltkirche verabschieden, da immer mehr außereuropäische Erfahrungen die Weltkirche prägen. Deshalb sind die Impulse aus anderen Teilen der Welt sehr wichtig.

Welchen Gewinn schöpft Ihre Gemeinde aus den Kontakten speziell nach Argentinien und Vietnam?

Die Freunde in Vietnam zeigen uns, wie es ist, Kirche zu sein in einem kirchenfernen Land. Und die Kirche in Lateinamerika zeigt uns, wie man auch fernab von festgefahrenen Kirchenstrukturen Jesu Gedanken umsetzen und wie man das tun und leben kann, von dem man überzeugt ist.

Welche Veranstaltungen werden sie beim Katholikentag besuchen?

Ich bin selbst bei der Veranstaltung „Gewalterfahrung und der Kampf um politische Selbstbestimmung“ am Samstagnachmittag dabei und werde Folklore-Konzerte der Hilfsorganisationen Adveniat und Misereor besuchen.

Welche Themen werden den Katholikentag bestimmen?

Ich bin selbst gespannt. Der Krieg in der Ukraine wird sicherlich ein großes Thema sein, der Missbrauch in der katholischen Kirche und die Frage, welche Faktoren ihn begünstigt haben, sicherlich auch. Ich hoffe aber auch, dass das Reich-Arm-Gefälle stark thematisiert wird.

Welche Katholikentage aus der Vergangenheit sind Ihnen noch gut in Erinnerung?

Der Katholikentag 1968 in Essen, der sehr turbulent war und von linken Gruppierungen geprägt war, und der erste ökumenische Kirchentag 2003 in Berlin.