Nancy Faeser und Boris Rhein Foto: dpa/Arne Dedert

Die CDU will in Hessen nach zehn Jahren Schwarz-Grün ihren Regierungspartner wechseln. Das neue Duo muss aber zunächst einen Koalitionsvertrag aushandeln.

Nach gut einem Jahrzehnt Schwarz-Grün strebt die hessische CDU einen politischen Wechsel zu einer Koalition mit der SPD an. Das teilte CDU-Landeschef und Ministerpräsident Boris Rhein am Freitag in Wiesbaden mit und begründete den Wechsel mit einer größeren inhaltlichen Übereinstimmung mit den Sozialdemokraten. Die SPD drückte bislang seit etwa einem Vierteljahrhundert die Oppositionsbank und verlor mit ihrer Spitzenkandidatin und Bundesinnenministerin Nancy Faeser deutlich bei der Landtagswahl am 8. Oktober.

Rhein sagte: „Wir wollen als CDU den Versuch unternehmen, in Hessen eine Regierung mit der SPD, mit den Sozialdemokraten, zu bilden und zum ersten Mal seit 70 Jahren in einer christlich-sozialen Koalition zusammenarbeiten.“

Ziel sei nun, gemeinsam mit der SPD ein christlich-soziales Programm zu schreiben, das Vernunft und Fortschritt miteinander verbinde. „Ein Programm für Vernunft im Umgang mit der Migration. Besonnen, nie mit Schaum vorm Mund. Aber doch mit sehr klaren Entscheidungen und mit auch sehr klaren Weichenstellungen“, erklärte Rhein.

Die inhaltlichen Schnittmengen seien mit den Sozialdemokraten größer gewesen als mit den Grünen, ergänzte der CDU-Landesvorsitzende. Die Absage an die Grünen sei eine „emotional wirklich schwierige Entscheidung“ gewesen. Rhein betonte: „Wir haben uns diese Entscheidung alles andere als leicht gemacht.“ CDU-Fraktionschefin Ines Claus äußerte sich ähnlich und fügte hinzu: „Verantwortung fordert eben auch Mut zur Veränderung.“

Faeser will nicht in die Landespolitik

Trotz der Entscheidung für die SPD will deren Spitzenkandidatin Faeser nicht aus dem Bundesinnenministerium in die Landespolitik wechseln. Einen solchen Schritt schließe sie aus, sagte sie am Freitag in Berlin. „Ich bleibe Bundesinnenministerin.“ Sie habe in der Bundesregierung eine wichtige Aufgabe, zudem gelte für sie: „Immer erst das Land, dann die Partei“. Sie werde den SPD-Gremien am Abend empfehlen, Koalitionsgespräche aufzunehmen. Es gebe ein gutes Arbeitsklima mit der CDU, beide Parteien stimmten offensichtlich bei mehreren wichtigen Themen für Hessen überein.

CDU-Fraktionschefin Claus nannte als wichtige Themen der Gespräche mit der SPD unter anderem Migration, Sicherheit, Bildung und Wirtschaftspolitik. Die CDU will zudem ein eigenes Landwirtschaftsministerium einrichten. Die Entscheidung der Christdemokraten für einen möglichen Partner auf der Regierungsbank in Wiesbaden war seit Wochen mit Spannung erwartet worden.

Rhein dankte den Grünen als bisherigem Koalitionspartner für die Zusammenarbeit. „Wir haben zehn gute Jahre hinter uns.“ Der Ministerpräsident ergänzte: „Wir haben in diesen zehn Jahren enorm viel erreicht.“ Gemeinsam habe man sehr erfolgreich für Hessen gearbeitet und wolle nun darauf aufbauen. Die Zusammenarbeit sei von großer Zuverlässigkeit und Verlässlichkeit geprägt gewesen.

Der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz wünschte Rhein nach der Entscheidung „erfolgreiche Gespräche“ mit der SPD. „Die Grünen müssen für die Zukunft an ihrer Kompromissfähigkeit arbeiten und ihre Politik an der Realität und nicht an ihren Ideologien ausrichten“, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.

CDU hatte freie Wahl

Kurz nach der Landtagswahl am 8. Oktober hatte die CDU begonnen, in Sondierungsgesprächen mit Grünen und SPD vertraulich inhaltliche Schnittmengen für ein mögliches neues Regierungsbündnis auszuloten. Rhein betonte wiederholt, diese Gespräche verliefen sehr konstruktiv und in guter Atmosphäre. Schon vor der Wahl hatte der CDU-Landesvorsitzende der Deutschen Presse-Agentur gesagt, jenseits des „sehr konstruktiven, sehr vertrauensvollen“ Bündnisses mit den Grünen habe er immer auch den Kontakt zur SPD gepflegt. Es gebe mit ihr „ähnliche Erfahrungswelten als Volkspartei“.

Die CDU konnte sich als deutliche Wahlsiegerin aussuchen, ob sie erneut mit den Grünen oder mit der SPD ein Regierungsbündnis schmiedet. Die FDP, mit der die CDU ebenfalls kurze Zeit sondierte, ist dafür rechnerisch nicht nötig. Auf SPD-Seite hatte die einstige Spitzenkandidatin Faeser die Sondierungsgespräche direkt nach der Wahl begonnen.

Grüne, Sozialdemokraten und Liberale hatten allesamt Stimmen verloren im Vergleich zur Landtagswahl 2018. Mit der deutlich erstarkten rechtspopulistischen AfD schließt die CDU eine Zusammenarbeit aus. Der neue 21. hessische Landtag konstituiert sich am 18. Januar 2024.