Knapp 90 Exponate, darunter viele Porträts, Landschaftsaufnahmen wie auch farbstarke Mode- und Werbeaufnahmen, sind demnächst in der Galerie Stihl Waiblingen zu sehen. Das Foto oben zeigt das Topmodel Claudia Schiffer bei diversen Sessions im Jahr 1991. Foto: Gottfried Stoppel

Die Galerie Stihl Waiblingen zeigt von Freitag an die Ausstellung „Kamerakunst“ mit Fotos des im Jahr 2011 verstorbenen Gunter Sachs. Einige der Exponate zeigen wir schon jetzt in unserer Bildergalerie.

Waiblingen - Er ist Sinnbild für eine Zeit, in der der internationale Jetset noch aus echten Stars und nicht wie heute aus vielen Sternchen bestand. Als Margret Dünser mit ihrer „V.I.P-Schaukel“ im Fernsehen den Glitzer und Glamour von London, New York, Nizza oder Saint-Tropez in die deutschen Wohnzimmer brachte. Als Namen die Szenerie bestimmten, die bis heute Begriffe sind – sei es Twiggy oder Bianca Jagger, Sean Connery oder Andy Warhol. Also die swingenden Sixties und die beginnenden 70er Jahre. Mittendrin: Gunter Sachs. Millionenerbe, schillernder Playboy, Lebe- und Genussmensch, auf den der Titel eines Films von François Truffaut zutrifft: „Der Mann, der die Frauen liebte“. Insbesondere seine Liaison mit Brigitte Bardot, mit der er von 1966 bis 1969 verheiratet war, war Dauerthema in den einschlägigen französischen wie deutschen Gazetten.

Faszinierende Persönlichkeiten

Alles wahr – einerseits. Und doch, andererseits, war der 1932 nahe Schweinfurt geborene und 2011 aus Angst vor Alzheimer durch Suizid aus dem Leben geschiedene Sachs viel mehr als das – er war ein enorm kreativer Mensch mit den verschiedensten Facetten, er war Kunstsammler, Mäzen, Galerist, Kurator. Vor allem jedoch war er ein Fotograf. Welch faszinierende Persönlichkeiten er im Laufe seines Lebens getroffen und abgelichtet hat, welche absonderlichen Landschaften er für seine Fotografien gefunden hat, kann von diesem Freitag an in der Galerie Stihl Waiblingen nachempfunden werden. Im Rahmen eines Rundgangs stellten Galerie-Leiterin Anja Gerdemann und Otto Letze, Gründer des Tübinger Instituts für Kulturaustausch, das als Kooperationspartner der Ausstellung fungiert, die knapp 90 Exponate der Presse vor.

Pop-Art und Pin-Up-Girls

Und was es da alles an Überraschungen in der Galerie zu entdecken gibt, an Pop-Art oder Pin-up-Girls. Denn da hängen natürlich etliche Fotos an den Wänden, auf denen die Models sehr spärlich bekleidet sind. Ein Werk aus dem Jahr 1995 heißt „Ascot“, wie die älteste Rennbahn Großbritanniens nahe Windsor. Die Damen, die mit ihren Feldstechern offenkundig den vorbeigaloppierenden Pferden nachlinsen, haben, wie es sich für die High Society gehört, breitkrempige Hüte auf – sind allerdings allesamt barbusig. Erst wer genauer hinschaut, erkennt, dass es ein einziges Model ist, Kirsten Kober, die Sachs in 16 verschiedenen Posen fotografiert und die Elemente dann zusammenmontiert hat. Ein anderes Werk aus dem Jahr 2007, inspiriert von seinem Freund Yves Klein, heißt „Farbe Blau“. Darin hält er genau jene Zehntelsekunde fest, als die blaue Farbe auf den nackten Frauenkörper trifft.

Ganz anders gelagert sind seine Landschaftsaufnahmen, „dafür hat Sachs den ganzen Globus bereist, um spannende Stellen zu finden“, erläutert Gerdemann. Manche surrealistischen Fotos wirken wie von Dali angestiftet oder könnte man sich auch als passendes Cover einer Pink-Floyd-Platte vorstellen. Etwa das Foto „Eternité“, also Ewigkeit, aus dem Jahr 1982, das eine Wüstenlandschaft mit tierischen Knochen auf dem braunen Sand zeigt.

Claudia Schiffer als Königin Kleopatra

Auf einem anderen Bild scheint die Wüstenlandschaft in einen weiblichen Körper überzugehen. Unter den Porträts ist eine Frau sehr häufig zu erkennen: das damals „meistgebuchte Laufstegmodel Claudia Schiffer“ (Gerdemann). In der Serie „Heldinnen“ (1990/91) ist das Starmodel gleich mehrfach zu sehen, etwa als Königin Kleopatra, Jeanne d’Arc (Jungfrau von Orléans) oder als Spionin Mata Hari. Schiffer bildet auch quasi den „Rausschmeißer“ am Ende der Ausstellung – in den „Vier Jahreszeiten“ mit mal frühlingshaftem und mal herbstlichem Haarschmuck.

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Doch nicht nur Sachs’ eigenes Werk, sondern auch die präsentierten Exponate aus seiner Sammlung lassen staunen – darunter finden sich weltbekannte Namen wie René Magritte und Yves Tanguy. Und dass Sachs oft früh den richtigen Riecher hatte, ist an der Zusammenarbeit mit Andy Warhol zu erkennen. Sachs holte den New Yorker zu dessen erster Ausstellung in Deutschland 1972 in die Galerie an der Milchstraße in Hamburg. Doch weil kaum einer Warhol kannte, kaufte Sachs heimlich mindestens die Hälfte selbst – Werke, die Jahre später das Tausendfache wert waren.

Ein Rausch der Eindrücke

Mit Gunter Sachs’ „Kamerakunst“ hat die Galerie Stihl eine vergleichsweise populäre Ausstellung konzipiert, die optische Pracht ebenso wie hintergründige Raffinesse bietet. Ein Rausch der Eindrücke – der trotz pandemischer Hindernisse ähnlich große Scharen anlocken könnte wie die bisher erfolgreichsten Waiblinger Ausstellungen über Loriot oder mit Christoph Niemann.

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