Ungewohnte Einigkeit: Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Wolfgang Reinhart (vorne), Chef der CDU-Landtagsfraktion, halten den Föderalismus hoch. Foto: dpa

Beim Digitalpakt für Schulen ist sich die grün-schwarze Koalition einig. Sie will sich die Kulturhoheit der Länder nicht abkaufen lassen – erst recht nicht „für ein Nasenwasser“, wie Ministerpräsident Kretschmann betont.

Stuttgart - In Baden-Württemberg steht die Koalition gegen eine Grundgesetzänderung. In seltener Einmütigkeit bekennen sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Wolfgang Reinhart, der Chef der CDU-Landtagsfraktion, zum Föderalismus. Beide lehnen eine Grundgesetzänderung ab.

Kretschmann skizzierte am Dienstag vor Journalisten die Strategie Baden-Württembergs. Zusammen mit vier weiteren Ländern tritt er dafür ein, den Digitalpakt für Schulen von einer Grundgesetzänderung abzukoppeln. „Wenn wir das erreichen, wird es schnell umsetzbar sein“, sagte Kretschmann. Seine Verhandlungslinie will der Regierungschef auch am Mittwochmorgen im Landtag darlegen, ehe er in den Vermittlungsausschuss nach Berlin reist.

Kretschmann schimpft über „Zentralisierungs-Fantasien“

In dem Manuskript, das unserer Zeitung vorliegt, betont Kretschmann, die Länder seien sich einig: „Der Bund ist mit seinen Zentralisierungs-Fantasien auf dem Holzweg.“ Die Anrufung des Vermittlungsausschusses, der den Gesetzentwurf der Bundesregierung und des Bundestags grundlegend überarbeiten soll, betrachtet Kretschmann als ersten Schritt, „um Schaden von unserer föderalen Ordnung abzuwenden.“ Kretschmann setzt auf die Allianz von Hessen, Bayern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen. Diese Länder hätten gemeinsam eine wichtige Gestaltungskraft: „Wir sind nicht gezwungen, jedem halbgaren Vorschlag zuzustimmen.“

Die Länder seien sich einig, dass die digitale Bildung verbessert werden müsse. Das sei ohne Grundgesetzänderung zu erreichen. Dafür hatte auch Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) in der Kultusministerkonferenz stets plädiert.

Fünf Milliarden Euro sind nur „ein Nasenwasser“

Kretschmann argwöhnt seinem Manuskript zufolge, dass diejenigen, die dem Bund ermöglichen wollen, den Bildungsbereich mitzufinanzieren, gar keinen Digitalpakt ohne Grundgesetzänderung wollten. Es gehe ihnen nicht um die beste Lösung des Problems. „Sie wollen die Bildungspolitik in Deutschland zentralisieren.“ Den Digitalpakt würden sie als Druckmittel gegenüber den Ländern einsetzen. Für ein „Nasenwasser“ von fünf Milliarden Euro sollten die Länder ihre Gestaltungsmöglichkeiten im Bildungsbereich für immer hergeben, heißt es in dem Redeentwurf.

CDU-Fraktionschef Reinhart sagte unserer Zeitung: „Wir dürfen den Föderalismus nicht weiter aushöhlen. Unsere Verfassung ist ein hohes Gut, das wir mit allen Mitteln schützen müssen.“ Mit Blick auf die Digitalisierung sei der Preis zu hoch. 130 Millionen Euro würde Baden-Württemberg pro Jahr bekommen. Nach fünf Jahren wäre Schluss, jede Schule hätte insgesamt 150 000 Euro zu erwarten.

„Es wäre ein Tausch von Geld gegen Macht“

Reinhart verweist gegenüber unserer Zeitung darauf, dass das in Aussicht gestellte Geld nur einem Prozent der Bildungsausgaben im Land entspreche. Baden-Württemberg gibt allein im Jahr 2019 mehr als 17 Milliarden Euro für die Bildung aus. „Aber es geht um mehr als das“, sagt Reinhart. „Es wäre ein Tausch von Geld gegen Macht.“ Auch von einer Nachbesserung beim Eigenanteil der Länder hält er wenig: „Selbst wenn der Vermittlungsausschuss nun eine 80:20-Finanzierung aushandelt, wäre dies noch ein fauler Kompromiss.“ Widerstand bei den Ländern hatte sich geregt, als der Bund kurzfristig in den Entwurf aufgenommen hatte, dass Bund und Länder jeweils 50 Prozent der Finanzierung tragen sollten. Reinhart, der sechs Jahre lang Koordinator der Bundesländer im Vermittlungsausschuss war, setzt auf den Widerstand: „Ich hoffe, dass Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, NRW und Sachsen zusammenstehen und zusammenbleiben.“ Dann lasse sich das Gesetz verhindern.