Vereint im Argwohn gegen den Westen: Brics-Gipfelteilnehmer. Foto: AFP/Alet Pretorius

Die Brics-Staaten fordern eine neun Weltordnung. Doch das geht nur unter dem Dach der UN, kommentiert Afrika-Korrespondent Johannes Dieterich.

Ob ihn überhaupt jemand gehört hat? Nach all den lautstarken Forderungen nach einer multipolaren, den Hegemonialansprüchen des Westens trotzenden Welt kam am Ende des Brics-Gipfels in Johannesburg auch UN-Generalsekretär António Guterres zu Wort. Dessen leidenschaftliches Plädoyer widersprach der Forderung nach Pluralität nicht: Doch wenn Multipolarität nicht in Multilateralismus eingebettet sei, führe sie zu Zersplitterung und letztlich zum Krieg.

Für den Multilateralismus gibt es bereits ein Zuhause: die Vereinten Nationen. Sie wurden vor fast 80 Jahren gegründet. Die Brics-Mitglieder Indien, Brasilien und Südafrika werden nicht müde, eine UN-Reform zu fordern. Doch während des dreitägigen Gipfels und in der Johannesburger Erklärung war kein Wort davon zu hören. China hat kein Interesse daran. Und ohne China geht bei den Brics-Staaten nichts.

Die Aufnahme sechs weiterer Staaten lässt den Club nicht netter aussehen. Als einzige echte Demokratie kommt Argentinien hinzu: Der Rest sind Monarchien, eine Theokratie, eine faktische Militärdiktatur und die nur dem Namen nach demokratische Kriegsrepublik Äthiopien. Das Kriterium für eine Brics-Aufnahme war nicht eine gute Regierungsführung. Vielmehr die Geografie, die Populationsgröße oder die wirtschaftliche Bedeutung – im Fall der arabischen Monarchien: das Erdöl.

Schon die bisherigen Brics-Staaten hatten wenig mit Werten wie Transparenz und guter Regierungsführung zu tun, wie beim Johannesburger Gipfel deutlich wurde. Es gab ein Wirtschaftsforum, aber kein Forum für Nichtregierungsorganisationen. Eventuelle Proteste wurden in einen entfernten Park verbannt, wo die Sicherheitskräfte den Demonstranten zahlenmäßig weit überlegen waren. Pressekonferenzen, auf denen Journalisten Fragen stellen können, waren nicht Teil des Gipfels.

Soll das die Alternative zur Hegemonie des Westens sein? Natürlich: Auch Washington gibt nicht viel auf multilaterale Institutionen, wenn sie der Großmacht – wie der Strafgerichtshof in Den Haag – in die Quere kommen könnten. Und mit globaler Solidarität haben die Agrarsubventionen der EU, ihre Migrationspolitik und die Impfstoff-Grabscherei auch nichts zu tun. Zumindest aber unterwerfen sich westliche Regierungen dem Zwang zur Wiederwahl, anders als der Iran, Saudi-Arabien oder China.

Außer der Multipolarität ist noch eine andere Phrase unter den Brics-Regierungschefs en vogue: die Solidarität zwischen den Staaten des globalen Südens. Der Nordwesten sei eigennützig, neokolonial und ausbeuterisch, heißt es – der Süden fürsorglich und solidarisch. Am ersten Teil des Satzes ist zweifellos viel Wahres dran, doch sein zweiter Teil ist bloße Augenwischerei. Für China und Russland ist Afrika genauso wie für Frankreich und die USA wegen seiner Bodenschätze und seiner riesigen, noch unerschlossenen Märkte von Bedeutung. Und Moskau liefert vor allem Waffen und neuerdings auch Söldner.

Ein neuer Kalter Krieg droht

Mit dem 15. Brics-Gipfel ist die Welt eine andere geworden. Nach Jahrzehnten der US-Hegemonie gibt es einen zweiten Pol, der sich von Moskau in den Südosten nach Peking verschoben hat. Das mag für einen Übergang zu einer multilateralen Welt nötig sein: Kommt es jedoch nicht zur Stärkung einer vermittelnden und übergeordneten UN-Architektur, wird die Folge ein neuer Kalter Krieg zwischen der nordwestlichen und südöstlichen Welt sein. Und wenn sich zwei Elefanten streiten, sagt ein afrikanisches Sprichwort, dann leidet das Gras.