In seiner Heimatstadt Böblingen ist Florian Wahl weiter als SPD-Fraktionschef im Gemeinderat aktiv. Foto: factum/Bach

Florian Wahl war erst 26 Jahre alt, als er den Sprung in den Landtag schaffte. Fünf Jahre lang engagierte er sich in Stuttgart als SPD-Abgeordneter für den Wahlkreis Böblingen, dann verpasste er bei der Wahl 2016 den Wiedereinzug. Was macht der 33-Jährige heute?

Böblingen - Es war ein herber Schlag für Florian Wahl, als er vor knapp zwei Jahren den erneuten Einzug in den Landtag knapp verpasste – wegen des desaströsen Ergebnisses seiner Partei, der SPD. Was macht er heute? Darüber hat uns der 33-Jährige Auskunft gegeben.

Herr Wahl, wie geht es Ihnen heute?
Sehr gut, sehr aufgeräumt und angekommen in meinem jetzigen Berufsleben. Ich habe es immer als ein Privileg gesehen, den Landkreis und meine Partei im Landtag zu vertreten. Und mir war immer klar, dass ein solches Mandat kein Erbhof und keine Selbstverständlichkeit ist, sondern eine politische Tätigkeit auf Zeit. Da ich ja noch sehr jung war und nur fünf Jahre im Amt, war das Ausscheiden aus dem Landtag zwar traurig, aber kein biografischer Bruch. Es wäre sicherlich schwieriger gewesen, wenn ich 58 Jahre alt gewesen wäre und schon mehre Legislaturperioden im Mandat.
Was machen Sie heute genau?
Ich bin Leiter der Stabsstelle Kommunikation und Politik bei der Kassenzahnärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KZV BW). Die KZV ist eine Selbstverwaltung der niedergelassenen Zahnärzte, die im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung tätig sind. Sie hat zwei zentrale Aufgaben: die Sicherstellung der ambulanten zahnärztlichen Versorgung für die neun Millionen Versicherten, gerade auch im ländlichen Raum. Zum anderen machen wir die Honorarabrechnung, und wir verhandeln mit den Krankenkassen über die Vergütung. Diese Aufgabe bei der KZV hat mich gereizt, gerade als langjähriger Gesundheitspolitiker.
Eine Kandidatur als Oberbürgermeister von Sindelfingen oder Böblingen wäre nichts für Sie gewesen?
Nein, Oberbürgermeister wollte ich bisher in meinem Leben nicht werden – zu keinem Zeitpunkt.
Warum nicht?
Ich bin der Meinung, dass, wenn man sich für eine politische Aufgabe bewirbt, immer klar sein muss, dass man überzeugend darlegen kann, dass man dem Amt mehr bringen kann, als dass es einem selber persönlich bringt. Nachdem ich vor zwei Jahren nicht mehr in den Landtag gewählt wurde, hätten viele – zurecht – gemunkelt: „Ah, da ist er jetzt im Landtag rausgeflogen und nun bewirbt er sich als OB, weil er unbedingt ein politisches Amt braucht. Der soll erst einmal länger was ‚Gescheites’ arbeiten.“ So einen Anschein wollte ich vermeiden. Zweitens: Ich bin in meiner jetzigen Tätigkeit sehr glücklich. Drittens: Man muss ein Amt wie das des Oberbürgermeisters wirklich mit Haut und Haar wollen, und das war bei mir jetzt nicht der Fall.
Aber man hat sie schon gefragt?
Gefragt wird man viel, wenn der Tag lang ist. Aber ich bin ja weiter politisch aktiv – im Böblinger Gemeinderat als Fraktionschef der SPD und als Vorsitzender des Böblinger Stadtverbands. Und ich engagiere mich auch anderweitig ehrenamtlich, zum Beispiel im der Landessynode und als Böblinger Kirchengemeinderat. Und in überparteilichen Aktivitäten wie erst jüngst bei der Gründung eines Vereins für ein Hospiz im Raum Böblingen/Sindelfingen sowie als Vorsitzender der Familienbildungsstätte Haus der Familie Sindelfingen/Böblingen.
Was haben Sie im Landtag gelernt?
Vor allem habe ich viele interessante Menschen getroffen: vom Obdachlosen über die vielen ehrenamtlich engagierten Menschen hier im Kreis bis zu einer Veranstaltung mit Obama in Berlin. Ich habe Einblicke in ganz unterschiedliche Lebenbereiche bekommen. Ich habe verstanden wie Politik und das Regieren und unsere Gesellschaft funktioniert. Wie es gelingen kann, als Abgeordneter wirklich etwas für den Wahlkreis durchzusetzen. Es war aber auch nicht immer einfach. Am Anfang stand Stuttgart 21, da gab es viel Engagement, aber auch Hass. Dann kam der Bildungsplan, auch da gab es viele Ängste. Da habe ich gelernt zuzuhören, was die Bürger umtreibt. Dann kam die Flüchtlingskrise 2015. Und ich durfte überall mit dabei sein, mitgestalten. Ich war ja aktiv als gesundheits- und jugendpolitischer Sprecher meiner Fraktion. Ich habe mein Mandat immer ganz bewusst als lokaler Abgeordneter gestaltet, war viel im Wahlkreis unterwegs.
Sie sprachen von Hass, der Ihnen entgegengeschlagen ist.
Ja, das war eine Erfahrung, die man in solchen Funktionen macht und die man sicherlich nicht persönlich nehmen darf. Die große Unzufriedenheit der Menschen, das Misstrauen den eigenen politischen Vertretern gegenüber macht mir große Sorge. Ich habe als Abgeordneter darauf mit Nähe, mit meinem Bürgerbüro und mit Aktionen wie dem internationalen Kinderfest geantwortet. Immer nach der Prämisse: Jeder darf „seinen Kropf leeren“, aber dann schauen wir gemeinsam, wie wir konstruktiv die Situation besser machen können.
Die Enttäuschung war groß, als Sie nicht wieder gewählt wurden. Würden Sie es trotz dieser Erfahrung genauso wieder machen?
Ja, auf jeden Fall. Ich betrachte es als größten Glücksfall meines bisherigen Lebens, dass ich so jung als Abgeordneter meine Heimat in Stuttgart vertreten durfte.
Werden Sie in drei Jahren wieder antreten?
Das ist im Moment noch viel zu früh, darüber eine Aussage zu machen. In drei Jahren kann sehr viel passieren, bei mir und in der SPD. Was ich aber auf jeden Fall weiß: dass ich gerne wieder zur Kommunalwahl 2019 antreten würde, wenn ich von meiner Partei nominiert werde.