Sahra Wagenknecht (BSW) spricht im Bundestag. Ihre neu gegründete Partei hat nun den Status einer Gruppe. (Archivbild) Foto: dpa/Michael Kappeler

Der Bundestag hat fünf reguläre Fraktionen – und nun zwei neue Gruppen: Die Linke und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) machen getrennt weiter. An einem Punkt üben beide laute Kritik.

Knapp zwei Monate nach Auflösung der Linksfraktion können die Abgeordneten der Linken und des neuen Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW)  im Bundestag nun als getrennte Gruppen weitermachen. Die Mehrheit im Parlament erkannte die beiden neuen Formationen am Freitag an und gestand ihnen parlamentarische Rechte sowie staatliche Zuschüsse in Millionenhöhe zu. Ganz zufrieden sind Linke und BSW mit den Bedingungen aber nicht.

Die 28 Parlamentarier der Linkspartei und die zehn BSW-Abgeordneten haben damit künftig mehr parlamentarische Rechte als fraktionslose Abgeordnete, jedoch weniger als die fünf Fraktionen.

Beide Gruppen setzen sich aus Abgeordneten der ehemaligen Linksfraktion zusammen, die sich im Dezember 2023 nach der Abspaltung Sahra Wagenknechts und ihrer Mitstreiter aus der Linkspartei aufgelöst hatte. Die Abgeordneten beider Parteien hatten den Gruppenstatus angestrebt. Die genaue Ausgestaltung der Rechte ist nicht gesetzlich festgelegt, sondern wurde im Vorfeld von den Fraktionen und den beiden künftigen Gruppen verhandelt. 

Gruppen bekommen ausnahmsweise Initiativrechte

Die SPD-Abgeordnete Katja Mast sprach von einem „vernünftigen Mittelweg“. Sie hob die Initiativrechte hervor, die laut Geschäftsordnung des Bundestags ausschließlich Fraktionen erhalten und nun auch den beiden neuen Gruppen zugebilligt werden. Außerdem können die Gruppen künftig im Monat zehn kleine oder große Anfragen an die Bundesregierung stellen. „Damit sind die parlamentarischen Kontrollrechte der Abgeordneten gewahrt“, betonte Mast.

Die Linken-Abgeordnete Heidi Reichinnek kritisierte die Begrenzung der Anfragen. „Die zentrale Aufgabe der Opposition ist es, die Regierung zu kontrollieren und für Transparenz zu sorgen“, sagte Reichinnek. Das wichtigste Mittel dafür seien kleine Anfragen. Dadurch würden „Skandale aufgedeckt“ und „Informationen erfragt, die sonst nicht an die Öffentlichkeit kommen“. Diese auf zehn pro Monat zu begrenzen, sei „lächerlich“, betonte Reichinnek. „Sollte diese Beschränkung bestehen bleiben, überlegen wir uns, vor Gericht zu ziehen“, sagte Reichinnek.

BSW und Linke wollen Einschränkungen juristisch prüfen lassen

Auch das BSW behielt sich vor, die Begrenzung juristisch überprüfen zu lassen. Jessica Tatti vom BSW sprach von einer „unnötigen Gängelung“. „Die Regierung entscheidet offenbar selbst, inwieweit sie durch die Opposition kontrolliert werden will.“ Dass „die ‚Ampel’ die Auflösung der Linksfraktion nutzt, um das Frage- und Kontrollrecht der Opposition massiv einzuschränken“, sei „ein echtes Unding.“

Kritik an zu vielen parlamentarischen Rechten kam dagegen von der Union. Thorsten Frei (CDU) warnte davor, der „zunehmenden Fragmentierung in der Parteienlandschaft“ den „Weg ins Parlament zu bahnen“. Die Union sei der Auffassung, dass die Rechte „aufs verfassungsmäßig Gebotene beschränkt“ werden müssten. 

Kürzere Redezeit für kleine Gruppen

Die Gruppen können künftig neben den Anfragen Gesetzentwürfe, Anträge und Entschließungsanträge einbringen. Sie können verlangen, dass ihre Vorlagen auf die Tagesordnung gesetzt werden und dass gegebenenfalls Zwischenberichte zu ihren Vorlagen erstattet werden. Die Redezeit der Gruppen soll sich an ihrer jeweiligen Stärke im Verhältnis zu den Fraktionen orientieren. Die Gruppen-Vorsitzenden sollen die gleichen Rechte haben wie Fraktionsvorsitzende. Die Gruppen sollen Geld- und Sachleistungen aus dem Bundeshaushalt erhalten. 

Beide Gruppen sollen Mitglieder in die Fachausschüsse und gegebenenfalls in deren Unterausschüsse entsenden können und dort die gleichen Rechte haben wie die von den Fraktionen entsandten Mitglieder. Ebenso sollen beide Gruppen mit jeweils einem Mitglied im Ältestenrat vertreten sein können und dort Stimmrecht bei Beschlüssen über innere Angelegenheiten des Bundestages haben. 

Linke ist verliert Fraktionsstatus im Bundestag

Die Linksfraktion war nach dem Austritt Wagenknechts und ihrer Mitstreiter im Dezember 2023 unter die Mindestgröße einer Fraktion von 37 Mitgliedern gerutscht und hatte sich aufgelöst. Die Parlamentarier sind seitdem fraktionslose Mitglieder des Deutschen Bundestages. Im Januar wurde das BSW gegründet.

Dass bereits im Bundestag vertretene Abgeordnete neue Gruppen bilden, ist ein Novum. Bisher war viermal eine Gruppe als solche anerkannt - dreimal die Linken-Vorgängerpartei PDS, außerdem die Grünen zwischen 1990 und 1994.