„Die Bildungszeit ist Grün-Schwarz ein Dorn im Auge“, kritisiert SPD-Vize Fulst-Blei. Foto: dpa/Marijan Murat

Die Bildungszeit trat 2015 in Kraft. SPD und Gewerkschaften hofften auf mehr Chancen für Arbeitnehmer, sich fortzubilden. Doch die Nutzung war gering. Die SPD übt Kritik an der Landesregierung.

Die grün-schwarze Landesregierung behandelt aus Sicht der SPD die Weiterbildung stiefmütterlich. Das Wirtschaftsministerium habe kein Interesse daran, möglichst viele Beschäftigte für Bildung und Qualifizierung zu gewinnen, sagte der Vizechef der SPD im Landtag, Stefan Fulst-Blei. Das werde deutlich in den Antworten, die das Ministerium auf eine Anfrage seiner Fraktion zum Thema Bildungszeit erteilt habe. Weder über Inanspruchnahme noch über inhaltliche Schwerpunkte gebe es aktuelle Erkenntnisse. „Die Bildungszeit ist Grün-Schwarz ein Dorn im Auge“, kritisierte Fulst-Blei. Das Desinteresse an lebenslangem Lernen sei in Zeiten von Fachkräftemangel bedauerlich. Eine offensive Werbung dafür tue Not, sagte der Weiterbildungsexperte seiner Fraktion. Das Ministerium wies die Vorwürfe zurück.

Die Bildungszeit wurde 2015 in Baden-Württemberg eingeführt. Vollzeitbeschäftigte haben einen Rechtsanspruch von fünf Tagen Bildungsurlaub pro Jahr bei vollen Bezügen. Man kann ihn auch auf zehn Tage alle zwei Jahre ansparen. Dabei müssen die Fortbildungen nicht zwingend mit dem eigenen Beruf zu tun haben.

Nur etwas mehr als 50.000 Menschen nehmen Angebot in Anspruch

Das Wirtschaftsministerium betonte, von mangelndem Engagement könne keine Rede sein. Alleine im Jahr 2023 habe das Ressort rund 51 Millionen Euro in die berufliche Weiterbildung investiert. Man habe die zunehmende Bedeutung der beruflichen Weiterbildung gerade vor dem Hintergrund der Digitalisierung, der Dekarbonisierung und des demografischen Wandels bereits seit Langem erkannt und zielgerichtet reagiert. 

Als Beispiele wurden ein Weiterbildungsportal, ein Netzwerk sowie die Werbekampagne zur Weiterbildung „The Chänce“ genannt. „In welchem Umfang der Rechtsanspruch auf Bildung wahrgenommen wird, ist eine individuelle Entscheidung, auf die das Land keinen unmittelbaren Einfluss hat“, teilte das Ministerium weiter mit.   

Nach einer ersten Evaluation hatten 2017 lediglich rund 53 000 Männer und Frauen Bildungsangebote in Anspruch genommen. Das entsprach 1,12 Prozent der Anspruchsberechtigten. Im Durchschnitt nahmen die Befragten 4,45 Bildungszeittage. Nach Angaben der für die Evaluation befragten Betriebe lag die Genehmigungsquote der Bildungszeitanträge für die Jahre 2016 und 2017 konstant bei 81 Prozent.  

Zweifel an Sinnhaftigkeit

Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) hatte nach ihrem Amtsantritt 2021 bereits Zweifel an der Sinnhaftigkeit des von der SPD initiierten Gesetzes erkennen lassen. Dass die Seminare nicht nur der beruflichen, sondern auch der politischen Bildung und der Ehrenamtsausbildung dienen können, ist vor allem bei Unternehmern umstritten. 

Allerdings wurden im Südwesten laut der Evaluation die beruflichen Fortbildungen mit rund 70 Prozent mit Abstand am häufigsten genutzt. Am zweithäufigsten wurde Bildungszeit für politische Weiterbildung mit etwa 20 Prozent verwendet. Für Ehrenamtsqualifizierungen wurde Bildungszeit am wenigsten beantragt.