Die EU versucht, Migration zu reduzieren – Deutschland steht als Bremser da. Foto: epd/Thomas Lohnes

Die Innenminister verhandeln in Brüssel über die neue Migrationspolitik. Das Treffen steht aber unter keinem guten Stern, woran Deutschland nicht unschuldig ist, meint Korrespondent Knut Krohn

Eine einfache Lösung der Migrationskrise gibt es nicht. Inzwischen ist dieser Satz in Deutschland von den Politikern aller Parteien zu hören. Allein die AfD poltert durch Talkshows und über Marktplätze und versucht ihren Wählern weißzumachen, dass mit Abschottung und Härte gegenüber den Asylsuchenden alle Probleme schnell zu regeln wäre. Ihr Vorbild ist Giorgia Meloni. Die Postfaschistin hat mit solchen markigen Parolen die Wahlen in Italien gewonnen – und danach kläglich versagt. Nach einem Jahr zeigt sich, dass Melonis angekündigter Null-Toleranz-Kurs nicht funktioniert.

Inzwischen sucht sie wieder die Kooperation mit der EU. Doch die energische Italienerin hat eines erreicht: sie hat dafür gesorgt, dass in der gesamten Union der Ton in Sachen Migration wesentlich rauer gewordenen ist. Selbst in Deutschland wird nun offen darüber diskutiert, das Asylrecht zu beschneiden, die Abschieberegeln für abgelehnte Asylbewerber drastisch zu verschärfen und mehr Grenzkontrollen einzuführen.

Zweifelhafter Deal mit Tunesien

Giorgia Meloni war es auch, die den zweifelhaften Deal mit Tunesien vorangetrieben hat, dem die EU überraschend geräuschlos zugestimmt hat. Das Regime, das im Ruch steht, ankommende Flüchtlinge gnadenlos in die Wüste zurückzutreiben, soll die Probleme von Europa fernhalten. Ähnlich dubiose Abkommen gab es bereits mit Staaten wie der Türkei, Libyen oder Ägypten, allerdings nicht mit dem erhofften durchschlagenden Erfolg. Nun nimmt die EU einen neuen Anlauf, das unbefriedigende Stückwerk im Kampf gegen die illegale Migration zu einer großen Asylreform zusammenzuführen.

In Brüssel wird betont, dass Europa den Flüchtenden aus humanitären Gründen beistehen muss. Doch das ist nicht die ganze Wahrheit. Getrieben werden die Verantwortlichen von der Angst, dass die extremen rechten Parteien aus der nächsten Europawahl 2024 als die großen Sieger hervorgehen könnten. Im Ringen um einen Kompromiss auf europäischer Ebene gefährdete ausgerechnet Deutschland die entscheidenden Schritte. Berlin hatte zwar bereits die geplante Asylreform abgenickt, weigerte sich dann aber, der damit zusammenhängenden EU-Krisenverordnung zuzustimmen. Die besagt, dass in Ausnahmesituationen vor Ort die Regeln für die Geflüchteten noch einmal verschärft werden können. Erst in letzter Minute sorgte ein Machtwort von Bundeskanzler Olaf Scholz dafür, dass Deutschland seine Blockade beendete. Doch da war das Kind bereits in den Brunnen gefallen, denn die Verärgerung über Berlin ist in Brüssel mit Händen zu greifen.

Schlingerkurs der Außenministerin

Wenig glaubwürdig wirkte die Haltung der Bundesregierung durch einen argumentativen Schlingerkurs der deutschen Außenministerin. Zuerst hatten die in dieser Diskussion als Moralapostel verschrienen Deutschen erklärt, durch die geplante Regelung könnten die Standards bei der Unterbringung und Versorgung der Schutzsuchenden noch weiter abgesenkt werden. Dann aber äußerte Baerbock plötzlich auch Bedenken, dass dadurch wieder Anreize für die Weiterleitung großer Zahlen unregistrierter Flüchtlinge nach Deutschland gesetzt werden könnten. Selbst die verhandlungsgestählten Diplomaten in Brüssel legten eine gewisse Verärgerung an den Tag. Denn offensichtlich war, dass in diesem Fall die deutsche Innenpolitik die Regie vorgab.

Bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen Anfang Oktober ist die Migration ein zentrales Thema und es scheint, dass die Grünen ihrer Basis im Moment keine weiteren Einschnitte in der Asylpolitik zumuten wollen. Dafür nahm Berlin in Kauf, sich mit dieser Blockadepolitik in einem Lager mit Ländern wie Polen und Ungarn zu finden. Die kritisieren die gesamte Asylreform also viel zu lasch und wollen im Krisenfall sogar die europäischen Standards für die Versorgung der ankommenden Migranten aushebeln. Angesichts des steigenden Migrationsdrucks wollte die Europäische Union mit der Asylreform in einer Zeit der Krise ihre eigene Handlungsfähigkeit beweisen. Kurz vor der Europawahl demonstriert die EU nun allerdings genau das Gegenteil.