Portest gegen Leerstand im Oktober 2015 – inzwischen werden an dieser Stelle neue Wohnungen gebaut. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Auch wenn es in Stuttgart kaum Leerstand gibt, gegen den die Stadt vorgehen könnte, ist das Zweckentfremdungsverbot sinnvoll, kommentiert StN-Titelautor Sven Hahn.

Stuttgart - Das Gesetz gegen Zweckentfremdung war ursprünglich dazu gedacht, gegen den Leerstand von Wohnungen vorzugehen. Doch derzeit gibt es in Stuttgart kaum Leerstand, gegen den die Verwaltung vorgehen könnte. Trotzdem ist das Gesetz absolut sinnvoll.

Stuttgart erlebt einen Boom. In wenigen Jahren sind Zehntausende Menschen in die Stadt gezogen – nur wurden für die Zuwanderer kaum zusätzliche Wohnungen gebaut. Daher ist es nur logisch, dass die Zahl der leer stehenden Wohneinheiten deutlich zurückgegangen ist. Trotzdem tut die Verwaltung gut daran, am Zweckentfremdungsverbot festzuhalten. Allein die Tatsache, dass die Fläche von rund 580 durchschnittlich großen Wohnungen vor Abriß oder Umwandlung bewahrt wurde, ist ein großer Erfolg. Zum Vergleich: Im Neckarpark, dem derzeit größten Baugebiet der Stadt, sollen 600 neue Wohnungen entstehen.

Grundsätzlich muss die Stadt für ihre Wohnungspolitik viel Kritik einstecken. Ihr ideologischer Fokus auf die Innenentwicklung, kein adäquater Neubau, schleppende Genehmigungsverfahren, kaum erkennbare Fortschritte im sozialen Wohnungsbau – das dürften die häufigsten Kritikpunkte sein. Um ehrlich zu sein: Viele der Kritiker haben recht. Das Zweckentfremdungsverbot jedoch muss anders beurteilt werden, seine Signalwirkung darf man nicht unterschätzen.

Es macht eines absolut klar: Eigentum ist nicht gleich Eigentum. Während eine Aktie, ein Sparbuch oder Anteile an einem Fonds reine Kapitalanlagen sind, ist eine Wohnung wesentlich mehr als das. Sie ist eine Lebensgrundlage für Menschen, ein Zuhause für Familien. Daher gilt der Ausspruch „Eigentum verpflichtet“ für diejenigen, die sich entschieden haben, in Wohneigentum zu investieren, in besonderem Maß. Diese Tatsache wurde durch das Gesetz ins Bewusstsein gebracht.

sven.hahn@stuttgarter-nachrichten.de