Am Wochenende wird wieder einmal die Zeit umgestellt. Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Die Ölkrise hat einst die Zeitumstellung hervorgebracht. Ihr ursprünglicher Sinn ist längst widerlegt, doch alle Anläufe, sie abzuschaffen, sind bisher gescheitert.

Es ist wieder soweit. Am Wochenende wird die Zeit umgestellt und damit beginnen auch wieder die Diskussionen um Sinn oder Unsinn dieser Maßnahme. Verändert zu früher hat sich inzwischen nur, dass das Drehen an der Uhr zumindest technisch kein Problem mehr ist. Taktgeber für die Zeit sind in Deutschland die Atomuhren der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig. Über Sender werden die Signale übertragen, durch die sich die Funkuhren automatisch an die Zeitumstellung anpassen. In Deutschland gibt es die Sommerzeit seit 1980. Seit 1996 stellen die Menschen in allen EU-Ländern die Uhren am letzten Sonntag im März eine Stunde vor und am letzten Oktobersonntag wieder eine Stunde zurück.

Kühe geben weniger Milch

Aber auch nach so langer Zeit haben sich viele Menschen nicht daran gewöhnt. Immer wieder wird von psychischen Problemen nach der Zeitumstellung berichtet, von Niedergeschlagenheit, Schlafmangel und auch von Kühen, die keine Milch mehr geben. Verweisen können die Kritiker auch darauf, dass die Maßnahme ihren ursprünglichen Zweck nachweislich nicht erfüllt. Das Vorstellen der Uhr sollte im Frühjahr zum Energiesparen in der hellen Jahreszeit beitragen. Die Überlegung: Wenn sich der Tag um eine Stunde nach vorn verschiebt, wird weniger Strom verbraucht.

Angesichts der Dauerkritik hat sich vor einigen Jahren auch die EU wieder der Sache angenommen. Im Juli 2018 wurde eine Umfrage in die Wege geleitet – und das Ergebnis schien eindeutig. 80 Prozent hatten sich dafür ausgesprochen, die Zeitumstellung zu Grabe zu tragen. Meinungsforscher zweifeln jedoch an der Aussagekraft der Umfrage. Nicht einmal fünf Millionen Menschen gaben damals ihr Votum ab – das sind etwa ein Prozent der Einwohner der Europäischen Union.

Obskure Umfrage zur Zeitumstellung

Bemerkenswert war, dass mehr als drei Millionen Rückmeldungen aus Deutschland kamen. Der Streit um die Zeitumstellung scheint also ein sehr „deutsches Problem“ zu sein. Ein entspannteres Verhältnis zur Zeit scheinen die Italiener zu haben, wo gerade einmal 25 000 Menschen an der Umfrage teilnahmen. Zudem war die Personengruppe nicht repräsentativ, da sie nicht nach Schichten, Berufsgruppen, Geschlecht und Alter ausgesucht worden war. Es konnte also jeder seine Meinung sagen, der Lust hatte. Die Erfahrung zeigt aber, dass sich dann vor allem jene Menschen melden, die etwas ändern wollen.

Diese Einwände wurden in Brüssel aber ignoriert. Also wurden weitere Studien erstellt, öffentliche Konsultationen durchgeführt, das Europäische Parlament diskutierte die Frage der Zeitumstellung und dann passiert – nichts! Denn die EU-Kommission kam 2019 zu dem „Schluss, dass die Mitgliedstaaten am besten in der Lage sind, selbst zu entscheiden, ob sie Sommer- oder Winterzeit dauerhaft beibehalten wollen“.

Keiner will das heiße Eisen anfassen

Keines der EU-Mitglieder will dieses heiße Eisen allerdings anfassen, zumal bis heute nicht geklärt ist, wie ein Wegfall der Zeitumstellung genau umgesetzt werden könnte. Im Laufe der Debatten kristallisierte sich auch heraus, dass manche EU-Staaten grundsätzlich gegen das Ende der Zeitumstellung sind. Der Grund: käme die dauerhafte Sommerzeit, würde etwa in Portugal im Winter die Sonne erst gegen zehn Uhr aufgehen. Einigen sich aber alle auf Winterzeit, würde es in Warschau im Sommer schon um drei Uhr hell.

Und so wird alle halbe Jahre wieder die Zeitumstellung in die Schlagzeilen gespült. Angesichts der Kriege und Krisen in und um Europa herum erscheint sie im Moment allerdings eher wie ein Luxusproblem. Also wird das Thema im sonst so aufgeregten Brüssel stillschweigend vertagt – auf Wiedervorlage im nächsten Frühjahr.