Kreativer Protest – Demonstranten werfen im Gemeinderat mit Papierfliegern. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Die Forderung, leer stehende Wohnungen unter kommunale Verwaltung zu stellen, hat dem Stuttgarter Rathaus bislang fast ausschließlich Kritik eingebracht. Nun kommt Unterstützung vom Mieterbund.

Stuttgart - „Es wäre als Ultima Ratio gedacht.“ Mit diesem Worten umschreibt der Pressesprecher der Landeshauptstadt, Sven Matis, die Forderung Stuttgarts nach einem Zugriffsrecht der Kommune etwa auf zu lange leer stehende Wohnungen. Weiter sagt Matis: „Dieses könnte den Druck auf Eigentümer erhöhen, die trotz Zweckentfremdungsverbot ein Bußgeld nicht fürchten.“ Nach erheblicher Kritik an dem Vorstoß der Stadt und einer deutlichen Absage vom Land erhält das Rathaus nun Unterstützung vom Mieterbund Baden-Württemberg. Der Landesvorsitzende Rolf Gaßmann erklärt: „Der Schutz des Eigentümers scheint wichtiger zu sein als die Not der Wohnungssuchenden.“ Und: „ Es fehlen offensichtlich wirksame Sanktionen.“

Zum Hintergrund: Wie unsere Zeitung exklusiv berichtete, hatte die Stadt Stuttgart gegenüber dem für Wohnungsbau zuständigen Wirtschaftsministerium eine deutliche Verschärfung des Zweckentfremdungsverbots gefordert. Das Rathaus hatte sich in seiner Stellungnahme gegenüber dem Ministerium für die „Einführung eines Zugriffsrechts der Kommune auf zweckentfremdete Wohnungen“ ausgesprochen. Will heißen: Wohnungen, die beispielsweise ohne Grund zu lange leer stehen, sollten auf diesem Wege unter kommunale Verwaltung gestellt werden.

Dieser Vorschlag hatte der Landeshauptstadt erhebliche Kritik eingebracht. Der württembergische Haus-und-Grundbesitzer-Verein hatte in einer ersten Reaktion von „eiskalter Enteignung“ gesprochen. Das Wirtschaftsministerium hatte die Forderung als „schweren Eingriff in das Eigentumsrecht“ bezeichnet. Das Ministerium hatte den Vorstoß zudem als eine Form staatlicher Beschlagnahme strikt abgelehnt.

Im Detail sieht der Vorschlag der Verwaltung so aus: Die Stadt stellt Wohnungen, die etwa zu lange leer stehen, unter kommunale Kontrolle. Diese Wohnungen sollen dann zur Mietspiegelmiete an die Kommune vermietet werden, wie es aus dem Rathaus heißt. Im Anschluss würde die Stadt selbst die beschlagnahmten Wohnungen dann an Bürger untervermieten. „Das Zugriffsrecht könnte vom Eigentümer dadurch abgewendet werden, dass er nach Androhung eines Zugriffs die Wohnung selbst wieder dem Wohnungsmarkt zuführt“, erklärt dazu Sven Matis.

Sozialpflicht des Eigentums

Trotz der Kritik unterstützt der Mieterbund die Idee. Der Landesvorsitzende Rolf Gaßmann sagte auf Anfrage unserer Zeitung: „Die Sozialpflichtigkeit des Eigentums gebietet es, dass bei Wohnungsnot auch Eingriffe ins Eigentum möglich sein müssen.“ Weiter so Gaßmann, erlaube das Polizeigesetz von Baden-Württemberg ausdrücklich solche Maßnahmen gegenüber einem Eigentümer. „Hamburg und Bremen haben zur Zeit der Flüchtlingskrise die Beschlagnahme von leer stehendem Wohnraum vertreten“, so der Chef des Mietervereins.

Kritik am Vorschlag der Stadt kam auch deswegen auf, weil Stuttgart die aktuellen Möglichkeiten des Zweckentfremdungsverbots nicht ausreizt und trotzdem eine derartige Verschärfung ins Spiel bringt. Die Stadt beschreibt ihre Herangehensweise an das Zweckentfremdungsverbot so: „Es ist unser Ziel, Wohnungen zu beleben. Nicht das Eintreiben von Bußgelder steht im Vordergrund“, erklärt Sven Matis. Tatsächlich hat die Stadt den illegalen Leerstand von Wohnungen bislang noch nie mit einem Bußgeld geahndet. Zum Vergleich: Die bayerische Landeshauptstadt München hat allein im Jahr 2017 knapp 900 000 Euro an Bußgeldern auf Basis des Zweckentfremdungsverbots verhängt. Während sich dort knapp 40 Mitarbeiter um die Durchsetzung und Kontrolle des Verbots bemühen, sind es in Stuttgart hingegen lediglich drei Mitarbeiter, verteilt auf zwei Vollzeitstellen.

Ob Stuttgart seinen Vorstoß zur Verschärfung des Zweckentfremdungsverbots weiterverfolgen will, bleibt zunächst offen. Aus dem Stuttgarter Rathaus heißt es dazu nur knapp: „Die Absage des Ministeriums nehmen wir zur Kenntnis.“