Plakate am Hochhaus an der Friedhofstraße zeugen vom Protest gegen den Vermieter Vonovia. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Der Mieterverein sieht kein Entgegenkommen des Großvermieters Vonovia. In der Auseinandersetzung um Modernisierungen und Mietaufschläge kommt die Politik nach Meinung des Vereins ihrer Verantwortung nicht nach.

Stuttgart - Der Streit um massive Mieterhöhungen beim größten deutschen Vermieter Vonovia geht weiter. Vonovia-Chef Klaus Freiberg hatte im Gespräch mit unserer Zeitung in Aussicht gestellt, dass Härtefälle von drohenden Mietaufschlägen ausgenommen würden. Nun wird hinter den Kulissen gestritten. Die Frage: Was ist ein Härtefall und was nicht? Der Mieterverein wertet die Aussagen des Vorstands dabei nicht als Entgegenkommen.

Die im Dax notierte Vonovia will ihren Wohnungsbestand sanieren. In Stuttgart sind allein in diesem Jahr Hunderte günstige Wohnungen betroffen. Dazu gehört unter anderem ein Hochhaus an der Friedhofstraße im Stuttgarter Norden. Die Miete der Bewohner könnte im schlimmsten Fall um bis zu 60 Prozent steigen. Darauf reagierte Vonovia-Chef Klaus Freiberg mit der Aussage: „Wir werden niemanden zwingen, wegen Modernisierungsmaßnahmen auszuziehen.“ Finanziell schwachen Mietern werde man entgegenkommen, so Freiberg im Interview mit unserer Zeitung.

„Das ist kein Entgegenkommen, damit hält sich Vonovia lediglich an das Gesetz“, kritisiert nun der Chef des Mietervereins Rolf Gaßmann. Er bezieht sich damit auf das Mietrecht, in dem es heißt: „Die Mieterhöhung ist ausgeschlossen, soweit sie auch unter Berücksichtigung der voraussichtlichen künftigen Betriebskosten für den Mieter eine Härte bedeuten würde.“

Auf dieser Basis haben Mieterverein und Vonovia hinter den Kulissen verhandelt. „Derzeit ist die Rede von 19 Härtefällen“, sagt Gaßmann. In Anbetracht der mehr als 80 Parteien allein in dem Hochhaus sei das nicht viel. Gaßmann nennt das Beispiel einer älteren Frau, die bei 1400 Euro Rente derzeit 700 Euro Miete bezahlt. „Für ihre 70 Quadratmeter soll die Frau nach der Modernisierung durch Vonovia nun 920 Euro bezahlen“, sagt Gaßmann. „Die Dame dachte, sie bekäme eine gute Rente und gerät nun unverschuldet in eine finanzielle Schieflage“, so der Vereinschef. Gaßmanns Kritik: Selbst in diesem Beispiel wolle sich Vonovia-Chef Freiberg nicht festlegen und zugestehen, dass die Belastung für diese Mieterin zu hoch wäre.

Gaßmann kritisiert Untätigkeit der Politik

Das Ziel des Mietervereins in den Verhandlungen mit dem Großvermieter sei es nach gewesen, eine klare Regelung zu vereinbaren. Demnach hätte sich die Mieterhöhung nach der Modernisierung der Wohnung an den finanziellen Möglichkeiten der Bewohner orientiert. „Eine Mietbelastung von maximal 30 Prozent des Nettoeinkommens war das Ziel“, sagt Gaßmann. Vonovia habe sich darauf nicht einlassen wollen.

Das größere Problem sieht Gaßmann jedoch in der Untätigkeit der Stuttgarter Politik. „Es gibt Beispiele, wo derartige Vereinbarungen mit großen Vermietern bereits gelungen sind“, sagt er und nennt die Übereinkunft in einem ähnlichen Fall zwischen der Verwaltung in Berlin und der Deutschen Wohnen. „Dort hat sich die Politik um die Sorgen der Mieter gekümmert, hier nicht. Hier bleibt die Verwaltung untätig. Daher engagieren wir uns“, so die Kritik.

Allerdings laufen auch zwischen der Stadtverwaltung und Vonovia Gespräche. Es habe ein Treffen „zum weiteren Vorgehen im Bereich der bestehenden Milieuschutzsatzung im Nordbahnhofviertel gegeben“, sagt Rathaussprecherin Jasmin Bühler. Beteiligt waren daran die zuständigen Fachabteilungen. „Sie haben den Vonovia-Architekten Leitlinien übermittelt, in welchem Rahmen Modernisierungen von der Stadt genehmigt werden können. Darauf aufbauend soll Vonovia ein Konzept erarbeiten“, so Bühler. Ergebnisse lägen noch nicht vor.

Was so harmlos klingt, könnte es in sich haben. Denn zumindest im Nordbahnhofviertel will die Stadt ein Wort mitreden, wie viel Modernisierung und Mieterhöhung möglich sind. „Luxussanierungen sind Vonovia dort untersagt“, so Bühler. Vonovia könne im Gebiet selbstverständlich modernisieren. „Es bedarf aber einer städtischen Genehmigung. Es gilt die Maßgabe, dass das jetzige Milieu nach Modernisierung gehalten werden kann. Instandsetzungsmaßnahmen sind natürlich ausdrücklich gewünscht und bedürfen keiner Genehmigung“, heißt es bei der Stadt. Was erlaubt ist, regelt ein Merkblatt. Nicht möglich sind zum Beispiel Video-Sprechanlagen, Parkettböden oder Fußbodenheizungen – zumindest, wenn sich die Maßnahme auf die Miete durchschlägt. Allerdings dürften so gut wie alle Vonovia-pläne dagegen nicht verstoßen.

Vonovia-Vorstand Freiberg hat überdies angekündigt, dass Städte und große Immobilienbesitzer künftig intensiver zusammenarbeiten müssten, um die Lebensqualität in Wohnvierteln zu verbessern. Darüber hat man sich aber mit der Stadt noch nicht ausgetauscht. „Weitere Gespräche zu Themen der Stadtentwicklung haben bislang nicht stattgefunden“, heißt es im Rathaus.