Bis zu 40 von Obdachlosigkeit bedrohte Menschen bewohnen seit fast drei Jahren die Container in der Liebermannstraße. Es fehlt an Alternativen im Stadtteil. Foto: Ines Rudel

Es fehlt an bezahlbarem Wohnraum. Im Nürtinger Roßdorf wird daher das Provisorium auf der Nanzwiese weiter genutzt.

Nürtingen - Nichts hält länger als ein Provisorium – diese Handwerkerweisheit trifft auch auf die Wohncontainer für die Anschlussunterbringung von Flüchtlingen und von Obdachlosigkeit bedrohten Menschen im Nürtinger Stadtteil Roßdorf zu. Der Kulturausschuss hat einer Verlängerung der Container-Lösung bis Ende Juni 2022 zugestimmt. Ursprünglich hätten die vor circa drei Jahren bezogenen Container, die bis zu 40 obdachlos werdende Menschen Platz bieten, zum 30. Juni dieses Jahres abgebaut werden sollen.

Die Wohncontainer sind heftig umstritten gewesen

Die Zustimmung fiel den Stadträten im Ausschuss nicht leicht. Denn dem Beschluss zur Aufstellung der Container waren vor fünf Jahren kontroverse Diskussionen im Gemeinderat und Proteste im Stadtteil Roßdorf vorausgegangen. Die Nanzwiese befindet sich direkt unter einer Hochspannungsleitung. Die Gegner einer Bebauung warnten vor möglichen Gesundheitsrisiken für die Bewohner durch elektromagnetische Felder. Außerdem wurde argumentiert, das von Hochhäusern geprägte Roßdorf sei bereits so dicht bebaut, dass eine weitere Verdichtung nicht möglich sei.

Die Stadtverwaltung holte daraufhin beim Tüv ein Gutachten ein, demzufolge die gesetzlichen Grenzwerte für Strahlung unter der 380 000-Volt-Leitung weit unterschritten würden. Der Gemeinderat stimmte schließlich unter dem Druck des fehlenden Wohnraums in der Anschlussunterbringung von Flüchtlingen mehrheitlich der auf drei Jahre befristeten Container-Lösung zu. In der Zwischenzeit, so der Beschluss, sollte im Roßdorf nach langfristigen Standortalternativen gesucht werden. Das erklärte Ziel der Stadt ist es, Flüchtlinge möglichst gleichmäßig auf alle Stadtteile zu verteilen, um so eine Getto-Bildung zu verhindern und in der Bevölkerung die Akzeptanz zu erhöhen.

Eine geplante Unterkunft kann nicht gebaut werden

Bei mehreren Suchläufen stellte sich indessen heraus, dass es im Roßdorf keine geeigneten Alternativen gibt. Außerdem zeichnet sich auf dem Wohnungsmarkt keine Entspannung ab. Nach wie vor ist bezahlbarer Wohnraum wie in anderen Städten in der Region auch in Nürtingen ein knappes Gut. Im vergangenen Jahr wurden 117 Menschen neu in städtische Unterkünfte eingewiesen. Ende Februar waren insgesamt 646 Menschen in einem Einweisungsverhältnis durch die Stadt untergebracht. Im laufenden Jahr wird es wohl ein Minus von 16 Plätzen geben, für das kommende Jahr rechnet die Stadt mit einem Defizit von 153 Plätzen, und auch in der Folgezeit geht das Rathaus von einer anhaltend angespannten Situation aus.

Verschärft wird die Lage durch das Scheitern eines Vorhabens in der Max-Eyth-Straße. Dort hätte in diesem Jahr eine Obdachlosenunterkunft für 75 Menschen gebaut werden sollen. Wie sich dann herausstellte, liegt die Fläche jedoch in einem geschützten Grünzug, der nicht bebaut werden darf. „Ein einfacher Blick in den Regionalplan hätte da Klarheit geschafft“, kritisierte Thaddäus Kunzmann (CDU) die Planung für die Unterkunft in der Max-Eyth-Straße.

Die Glaubwürdigkeit der Politik steht auf dem Spiel

Bei der aktuellen Abstimmung im Kulturausschuss betonten alle Stadträte, dass es bei einer einmaligen Verlängerung bleiben müsse. „Sonst treten wir unsere Glaubwürdigkeit mit Füßen“, sagte Michael Gscheidle (Aktive Bürger). Erleichtert wurde dem Gremium die mehrheitliche Zustimmung durch die Bürgervereinigung Roßdorf. Die Stadtteilvertretung hat sich gegen eine Fortsetzung der Container-Lösung nicht gesperrt.