Wird die Wilhelma nicht erweitert, so wird für die Flusspferde kein Platz mehr sein Foto: Leif Piechowski

Modernere Gehege, mehr Vermarktung, Firmensponsoring – Thomas Kölpin, seit Jahresbeginn im Amt, will ein ganzes Paket an Ideen schnüren. Der neue Direktor der Wilhelma skizziert im StN-Interview, wie er den zoologisch-botanischen Garten fit für die Zukunft machen möchte.

Modernere Gehege, mehr Vermarktung, Firmensponsoring – Thomas Kölpin, seit Jahresbeginn im Amt, will ein ganzes Paket an Ideen schnüren. Der neue Direktor der Stuttgarter Wilhelma skizziert im Interview, wie er den zoologisch-botanischen Garten fit für die Zukunft machen möchte.
Stuttgart – - Herr Kölpin, als neuer Chef der Wilhelma ziehen Sie in die Direktorendienstwohnung am Maurischen Garten – und mit ihnen etliche Würgeschlangen. Muss sich ein Zoologe auch privat exotische Tiere halten?
Wilhelma-Direktor Thomas Kölpin Foto: Max Kovalenko
Tatsächlich halte ich privat Königspytons, Königsnattern und Vogelspinnen. Es handelt sich aber nur um eine übersichtliche Zucht von 35 Schlangen und acht Spinnen.
Ein, zwei Hunde oder Meerschweinchen für die Kinder waren Ihnen zu gewöhnlich?
Seit meiner Kindheit finde ich Schlangen und alles, was krabbelt, gut. Meine Eltern hätten es natürlich lieber gesehen, wenn ich mich wie andere Kinder für normale Haustiere interessiert hätte – und nicht für Spinnen und Skorpione.
Dienstlich haben Sie in der Wilhelma seit Jahresbeginn 9000 Tiere zu betreuen. Ihre vorherige Station als Zoo-Chef, der Zoopark in Erfurt, war wesentlich kleiner.
Dort hatten wir etwa 3500 Tiere. Die Wilhelma ist einer der größten und schönsten Zoos in Deutschland. Hier zu arbeiten ist für jeden Zoologen eine tolle Aufgabe und eine Riesenherausforderung. Es geht jetzt darum, die Wilhelma weiterzuentwickeln, so wie es mir in Erfurt ganz gut gelungen ist.
Zum Beispiel wird dort aktuell eine Elefantenanlage gebaut. Bei Ihrer Vorstellung als neuer Wilhelma-Chef im Oktober nannten Sie auch für die Wilhelma den Bau eines neuen Elefantenhauses als dringlichste Aufgabe. Welche Erwartungen hat Ihr neuer Arbeitgeber an Sie?
Das Land Baden-Württemberg hat mir keine Begründung genannt, warum ich ausgewählt wurde. Im Rahmen des Bewerbungsverfahrens musste ich bei einem Rundgang Stärken und Schwächen der Wilhelma benennen und erklären, wo aus meiner Sicht etwas verbessert werden könnte. Die Dinge, die ich angebracht habe, stießen dabei auf positive Resonanz.
Was ist Ihnen alles aufgefallen?
Wir haben ein Problem mit den Großgebäuden entlang der Pragstraße. Das Dickhäuterhaus, das Flusspferdehaus, die Raubtieranlagen, das frühere Menschenaffenhaus, sie alle verfügen nicht mehr über ausreichend Substanz. Bis Ende 2015 werden wir deshalb einen Masterplan für die nächsten 20 Jahre aufstellen.
Die kürzlich eröffnete Menschenaffenanlage war, was Planung, Bau und Finanzierung betrifft, eine zähe Angelegenheit. Für Ihre Pläne benötigen Sie gute Nerven und einen langen Atem.
Wir werden die Aufgaben Schritt für Schritt erledigen. Ich möchte dabei den Masterplan selber umsetzen. Dafür habe ich noch 22 Jahre Zeit.
Die Wilhelma umfasst mit rund 30 Hektar etwa halb soviel Fläche wie der Zoopark in Erfurt. Vom Platz her sind Ihnen Grenzen gesetzt.
Platz würde durch den Abriss alter Gebäude entstehen, auch über die Abgabe von Tieren müssen wir nachdenken.
Auf welche Tiere wollen Sie verzichten?
Grundsätzlich will ich auf keine verzichten, außer wenn es die Rahmenbedingungen erfordern. Elefanten sind das Wappentier der Wilhelma und wie die Nashörner massiv vom Aussterben bedroht. Bei den Flusspferden ist das in dem Maß nicht der Fall. Also am ehesten auf die Flusspferde.
Keine Chance für das Flusspferdepaar Rosi und Mike?
Auf dem jetzigen Gelände ist zu wenig Platz für sie.
Sieht Ihr Masterplan eine Flächenerweiterung vor, zum Beispiel in den Rosensteinpark, der wie die Wilhelma Landeseigentum ist?
Eine Ausdehnung in den Rosensteinpark wäre schön, liegt aber nicht in meinen Händen.
Georg Fundel, der Vorsitzende des fast 30 000 Mitglieder zählenden Wilhelma-Fördervereins, hat für die Flusspferde eine Erweiterung zum Neckar hin ins Spiel gebracht.
Die Grundidee ist super, wir müssen aber mit dem Verein prüfen, ob das realistisch ist. Ohne das Geld des Fördervereins wird nichts gebaut, ich bin froh, dass er so stark ist.
Ideen haben ist das eine, deren Verwirklichung muss aber jemand bezahlen. Das Defizit im Etat der Wilhelma ist erheblich größer als noch vor einigen Jahren. Wo sehen Sie Einnahmequellen?
Der Deckungsgrad im Etat muss wieder besser werden, das war auch eine der Aufgabe, die mir genannt wurden. Alles was wir auf den Weg bringen, soll sparsam vonstattengehen. Wir müssen uns aber neue Finanzierungsmöglichkeiten erschließen, zum Beispiel über zusätzliche Veranstaltungen abends außerhalb der Öffnungszeiten.
Damit lassen sich keine Millionen erwirtschaften. Könnte der Verkauf von Namensrechten ein Weg sein? Dann gäbe es vielleicht bald eine Bosch-Elefantenanlage oder ein Mercedes-Raubtierhaus.
Warum nicht? Für Sponsoren bin ich immer offen. In den USA ist es gang und gäbe, dass man eine Anlage zum Beispiel Coca-Cola-Aquarium tauft. Wir müssen bei der Vermarktung offensiver werden.
Vermarkten heißt auch, die Tiere ansprechend zu präsentieren. Seit Jahren bemängeln Besucher die Betonästhetik der Gehegebauten.
Ich bin zwar kein Freund von Kulissenbau, wie er in anderen Zoos praktiziert wird. Aber wir müssen ein bisschen wegkommen von der Betonbauweise. Wir wollen Lebensraumausschnitte der Tiere darstellen, über natürliche Materialien etwa in botanischen Tierhäusern. Ein paar künstliche Felsen wären dafür okay. Mit dem Amazonienhaus besitzt die Wilhelma bereits ein klasse Beispiel dafür. Eine andere, zukunftsträchtige Art der Präsentation sind gemeinsame Gehege für verschiedene Tiere.
Sie planen Tier-Wohngemeinschaften?
Sogenannte Vergesellschaftungsanlagen haben viele Vorteile: So bieten sich den Tiere zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten – das fordert sie. Für Besucher wiederum ist es spannend zu beobachten, wie Tiere miteinander interagieren. Mit Blutbrustpavianen, Mähnenschafen und Klippschliefer finden Sie in der Wilhelma dafür bereits ein gutes Beispiel.
Tierrechtler bekommen Sie mit solchen Plänen trotzdem nicht auf Ihre Seite.
Zoologen sind ausgebildete Tierschützer. Wir praktizieren Tierschutz wissenschaftlich, nicht nur emotional. Ich stelle mich jeder Diskussion, aber Tiere lieber aussterben zu lassen, anstatt sie in Zoos zu erhalten, wie manche Tierrechtler fordern, ist nicht mein Ansatz.
Modernere Gehege, Marketingoffensive – Ihnen steht mehr als ein Kraftakt bevor. Da könnte Ihnen Ihre Erfahrung als Kraftsportler nützen.
Im übertragenen Sinn haben Sie recht. Während meines Biologiestudiums habe ich Bodybuilding als Leistungssport betrieben.
Eingeölte Muskelberge verbindet man nicht zwingend mit einem Zoologen. Könnten Sie es denn mit Wilhelma-Gorilla Kibo aufnehmen?
Mit Kibo kann ich es kräftemäßig natürlich nicht im Geringsten aufnehmen. Meine Energie möchte ich ohnehin ganz für die Wilhelma einsetzen und nicht in einer Rangelei mit einem Gorilla vergeuden.