Im vergangenen Jahr nahmen insgesamt rund 16 000 Laufbegeisterte am Stuttgart-Lauf teil. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

In Baden-Württemberg nehmen jährlich gut 200 000 Starter an Volksläufen teil, 2020 waren etwa 430 Events geplant. Viele fallen der Corona-Krise zum Opfer, was zu finanziellen Schäden führt. Die Veranstalter des Stuttgart-Laufs hoffen noch auf die Durchführung.

Stuttgart - Es könnte knapp werden. Wenn Gerhard Müller auf den Kalender blickt, wenn er die täglichen Corona-Meldungen im Hinterkopf hat, überkommt den Geschäftsführer des Württembergischen Leichtathletik-Verbandes (WLV) ein nicht zu leugnendes Unbehagen. Am 27. und 28. Juni findet der 27. Stuttgart Lauf statt, in 79 Tagen sollen sich rund 16 000 Bewegungsbegeisterte auf die Strecke und ins Vergnügen stürzen. Am Sonntag steht der Halbmarathon auf dem Plan. Doch ob es dazu kommt? „Ich bin hin- und hergerissen“, gibt Müller zu, „diese Frage beschäftigt mich seit Wochen fast täglich – allein: Wir können es nicht sagen, wir sind diesbezüglich so ahnungslos wie alle.“

Müller und der WLV als Veranstalter hoffen, dass bis dahin das Sportverbot aufgehoben wird und die Veranstaltung durchgeführt werden kann. Zur Not in einem kleineren Rahmen, vielleicht nur das Programm am Sonntag mit den Halbmarathons für Rollstuhl-Fahrer, Handbiker, Inliner und Läufer sowie dem 7-Kilometer-Lauf.

Aufgrund der jahrelangen Erfahrung mit der Organisation ist Müller überzeugt, die nötigen Voraussetzungen stemmen zu können. Die Strukturen stehen, es muss lediglich sicher sein, dass das Technische Hilfswerk und das Deutsche Rote Kreuz einsatzbereit sind – oder ob sie dann noch für die Bekämpfung der Corona-Krise unabkömmlich sind. „Die Gesundheit aller steht obenan“, betont der WLV-Manager, der weiß, dass die Veranstaltung ohne die Unterstützung dieser Organisationen nicht stattfinden kann. „Noch herrscht kein Druck bei uns“, sagt er, „wir hoffen und warten.“

Etat des Stuttgart-Laufes beträgt 700 000 Euro

Eine Absage wäre ein harter Schlag für den Verband. Weniger wegen des Renommees, in diesem Jahr sind viele Volksläufe dem Coronavirus zum Opfer gefallen. Vielmehr wegen der finanziellen Folgen. Der Etat des Stuttgart Laufes beträgt 700 000 Euro, die Stadt gewährt einen Zuschuss von 100 000 Euro, doch in etwa die Hälfte des Gesamtetats wird über die Startgelder gedeckt. Manche Verträge, etwa für die technische Ausstattung der Veranstaltung (Zeiterfassung), sind geschlossen, es entstehen Kosten selbst bei einer Absage. Ob die Sponsoren dann den vereinbarten Beitrag entrichten, darüber kann sich Müller nicht sicher sein – auch die Hauptsponsoren leiden unter der Corona-Krise. Womöglich müsste der eine oder andere einen (Teil-)Rückzieher machen, um sein Fortbestehen nicht zu gefährden. „Wir hätten beim Ausfall des Stuttgart Laufes als Verband ganz schön zu knabbern“, räumt Müller ein, „vielleicht können wir im Extremfall auf staatliche Unterstützung hoffen, weil der Sport ja einen bedeutenden Stellenwert in unserer Gesellschaft besitzt.“ Eines aber betont der Funktionär deutlich: Eine Absage des Laufes hätte wohl kaum die Insolvenz des WLV zur Folge.

Etwa 80 Volksläufe wurden in Baden-Württemberg abgesagt

Rund 430 Volksläufe waren 2020 in Baden-Württemberg geplant, etwa 200 000 Starter erwartet worden. Etwa 80 Events sind bereits abgesagt, wie der Gmünder Stadtlauf am 14. März. Dass Organisator Tim Schwarzkopf 1000 Medaillen bestellt hatte, ist sein kleinstes Problem. Die Plaketten bekommen einen neuen Aufkleber, sie werden eben 2021 verteilt. Und die meisten der 500 angemeldeten Teilnehmer lassen ihre Startgebühr fürs nächste Jahr stehen. Das sind etwa 6500 Euro. „Das freut uns“, sagt Schwarzkopf, „wenn wir damit Kosten ausgleichen, fehlt uns das Geld aber nächstes Jahr.“ Die DJK Gmünd wird bei einem Gesamtetat von 50 000 Euro rote Zahlen schreiben; sollten die fünf Hauptsponsoren ihre finanziellen Zusagen ganz oder teilweise zurückziehen, wächst der Fehlbetrag auf im schlimmsten Fall bis zu 10 000 Euro.

Immerhin hat die Laufabteilung der DJK aus fetten Jahren Rücklagen angelegt. „Wir sind nicht in der Existenz bedroht“, sagt Schwarzkopf, „wir kommen mit einem blauen Auge davon.“ Andere Clubs könnte es härter getroffen haben, bis hin zur finanziellen Schieflage. Üblicherweise bleibt für die Clubs ein Gewinn, mit dem sie Maßnahmen rund um den Sportbetrieb bezahlen. Wie der WLV, so hofft der VfL Herrenberg auf die Zeit. Der Kirschblütenlauf sollte am 29. März stattfinden, der neue Termin ist der 3. Oktober. „Alle Partner stehen zu ihren Zusagen“, sagt VfL-Referent David Schubert-Medinger, „wir rechnen damit, dass der Lauf stattfindet.“ Volksläufe sind derzeit Wettläufe gegen die Zeit – und das Coronavirus.