Hinweise auf Hochwasser und Absperrungen stehen auf einer bereits leicht überfluteten Straße am Stadthafen in Wismar. Foto: dpa/Jens Büttner

Sturm aus dem Osten drückt das Ostseewasser ans Land. Die schwere Sturmflut soll am Nachmittag seinen ersten Höhepunkt erreichen: In Flensburg wird die höchste Sturmflut seit 100 Jahren erwartet. 

Wegen des Sturmtiefs sind am an der Ostseeküste die ersten Straßen und Uferbereiche vom Hochwasser überschwemmt worden. So standen am Freitagmorgen (20. Oktober) sowohl in Wismar als auch in Kiel und und Flensburg zahlreiche Straßen und Plätze unter Wasser. "Das Wasser kommt, es ist schon sehr weit gedrungen, es steht schon vor der Tür", sagt eine Sprecherin der Polizei Flensburg.

Auch in der Lübecker Bucht ist das Wasser bereits an vielen Stellen über die Ufer getreten, wie die Polizei mitteilt. Zudem blockieren auch ungesicherte Gegenstände sowie umstürzende Bäume teilweise die Fahrbahnen in Lübeck und im Kreis Ostholstein. Polizei und Feuerwehr schleppen zudem Fahrzeuge aus dem Gefahrenbereich und sperren Straßen ab.

Höchster Wasserstand seit 100 Jahren

Strandkörbe werden in Kiel-Schilksee von den Flutwellen der Ostsee weggespült. Foto: dpa/Axel Heimken

Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) erwartet sowohl für die Kieler und Lübecker Bucht für den Freitagnachmittag und -abend den Höhepunkt der schweren Sturmflut. In der Flensburger Förde können Wasserstände bis zu zwei Meter über das mittlere Hochwasser steigen, teilt das Amt auf seiner Internetseite mit. Damit wird dort voraussichtlich der höchste Wasserstand seit mehr als 100 Jahren eintreten.

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) in Offenbach geht davon aus, dass das Sturmtief über der Ostsee am Freitagnachmittag seinen Höhepunkt erreichen und nach Mitternacht langsam abklingen wird. "Bis etwa zwei Uhr nachts sind dann an der Ostseeküste und den Inseln orkanartige Böen möglich", betont DWD-Meteorologin Anne Wiese in Hamburg.

Sturmflut von bis zu 40 Stunden Dauer

Wellen schlagen an den Strand der Insel Rügen. Foto: dpa/Stefan Sauer

Schleswig-Holsteins Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) rief die Küstenanwohner zur Vorsicht auf. „Ich appelliere auch an alle an der Ostseeküste lebenden Menschen, sich gut zu informieren und entsprechende Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.“

Mit einer möglichen Dauer von bis zu 40 Stunden könnte die Sturmflut deutlich länger anhalten als ähnliche Unwetterereignisse 2017 und 2019. Strandwälle wie an der Schleimündung könnten überflutet werden. Auch sei mit Strandausräumungen und Steiluferabbrüchen zu rechnen.

Dänische Polizei warnt Urlauber

Wegen einer erwarteten Sturmflut an der Ostseeküste sind Uferbereiche in der Nähe des Stadthafens von Wismar mit Sandsäcken verstärkt. Foto: dpa/Jens Büttner

Eine sehr viel deutlichere Warnung gibt die dänische Polizei heraus. Sie fordert Anwohner und Urlauber im Süden und im Osten Dänemarks auf, spätestens am Freitagmorgen das Küstengebiet zu verlassen.

Betroffen sind demnach auch die bei deutschen Urlaubern beliebten Sommerhaus-Gegenden an den Südküsten der Inseln Lolland, Falster und Fünen sowie in den Förden von Haderslev, Aabenraa (Apenrade) und Flensburg.

Wegen der Sturmflutwarnung fallen auf der Fährlinie zwischen Rostock und dem dänischen Hafen Gedser auf Falster am Freitag zahlreiche Abfahrten aus.

Wasserstand bis 2,4 Meter über Normalwert

Das Dänische Meteorologische Institut (Danmarks Meteorologiske Institut, DMI) warnt vor Überschwemmungen in den betroffenen Küstenabschnitten von Freitagmorgen bis Samstagmittag. Der Wasserstand könne bis zu 2,4 Meter über den Normalwert steigen.

Nach Angaben des BSH beginnt an der Ostseeküste eine Sturmflut bei einem Wasserstand von einem Meter über dem Normalwert. Ab 1,25 Meter wird von einer mittleren Sturmflut und ab 1,5 Metern von einer schweren Sturmflut gesprochen. Steigt das Wasser um mehr als zwei Meter, ist das eine sehr schwere Sturmflut.

Anders als in der Nordsee spielt der Tidenhub in der Ostsee praktisch keine Rolle. Die Wasserstände steigen vor allem, wenn Sturm aus östlichen Richtungen das Wasser gegen die schleswig-holsteinische Küste schiebt.

Straßen werden gesperrt, Schiffe bleiben im Hafen

In Kiel sollte die Kiellinie am Freitag ab 15 Uhr aus Sicherheitsgründen für den Verkehr gesperrt werden, wie eine Feuerwehrsprecherin erklärt. "In Kiel-Schilksee war  das Wasser schon ungewöhnlich hoch. Etwa 150 Strandkörbe sind dort geborgen worden."

Wie die Reederei Scandlines mitteilt, muss wegen extrem starker Ostwinde zudem der Fährbetrieb auf den Strecken Puttgarden-Rødby und Rostock-Gedser vorübergehend eingestellt werden. Am Kopenhagener Flughafen fällt am Freitag aufgrund des Sturms über der Ostsee rund jeder zehnte Flug aus.

Mecklenburg-Vorpommern weniger betroffen

Wellen umspülen den Hafen am Strelasund. Foto: dpa/Stefan Sauer

Mecklenburg-Vorpommern kommt nach Vorhersage des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie glimpflicher weg. Es werde voraussichtlich eine mittlere Sturmflut werden, sagt die Sprecherin.

In Greifswald werde das Wasser auf 1,40 Meter über das mittlere Hochwasser steigen, in Koserow auf Usedom auf etwa einen Meter. Die Höchststände können den Angaben zufolge um jeweils zehn Zentimeter abweichen, weil sie von den schwerer vorhersagbaren Windverhältnissen abhängen.

Wind erreicht bis 110 Stundenkilometern

Eine Frau geht durch das Hochwasser am Stadthafen von Wismar. Foto: dpa/Jens Büttner

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) in Offenbach warnt vor orkanartigen Böen mit Windgeschwindigkeiten bis zu 110 Kilometern pro Stunde an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste. Die Warnung gilt von Freitag 12 Uhr bis Samstag 2 Uhr, wie der DWD auf seiner amtlichen Warnkarte im Internet mitteilt.

Extremes Niedrigwasser an der Nordsee

Sturmflut-Alarm an der Ostsee in Bansin auf der Insel Usedom. Foto: Imago//Philippe Ruiz

Fährverkehr fällt teilweise aus

Für die Nordseeküste erwartet das Bundesamt extrem niedrige Wasserstände, weil der starke Ostwind das Wasser von der Küste wegdrückt. In Cuxhaven sollen die Wasserstände am Freitag mehr als 1,5 Meter unter dem mittleren Niedrigwasser liegen. In Hamburg werde der Wasserstand voraussichtlich sogar zwei Metern unter das mittlere Niedrigwasser fallen.

In den vergangenen 25 Jahren sank der Wasserstand an der deutschen Nordseeküste nur drei Mal unter 1,5 Meter unter dem mittleren Niedrigwasser gesunken – zweimal im März 2018 und einmal im November 2022, wie das Bundesamt weiter mitteilt. Sturmfluten entstehen durch starken Wind, der das Wasser an die Küste drückt. Der gleiche Wind drückt an der Nordsee das Wasser weg und es kommt zu extrem niedrigen Wasserständen.

Auch das hat bereits Auswirkungen auf den Schiffverkehr. So sind zahlreiche Fähren zu den Inseln ausgefallen. Die Fähren zwischen Föhr, Amrum und Dagebüll der Wyker Dampfschiffs-Reederei bleibn an diesem Freitag an Land und auch zwischen Pellworm und Nordstrand fallen mehrere Fähren aus. Die Inseln Juist, Baltrum, Spiekeroog und Wangerooge sind nicht mit Fährschiffen zu erreichen, wie die Fährgesellschaften auf ihren Internetseiten mitteilen. Für Wangerooge soll der Fährverkehr auch am Samstag (21. Oktober) ausfallen. Im Fährverkehr zu den Inseln Langeoog und Norderney kommt es zu Ausfällen und veränderten Abfahrtszeiten.

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