Der ADAC warnt vor der bewusstseinsverändernden Wirkung von Cannabis für Autofahrer. Foto: Marcus Brandt/dpa

Nach langen Debatten will die Koalition eine Legalisierung von Cannabis besiegeln. Nicht so schnell geht es damit, wie künftig Limits beim Autofahren aussehen sollen.

Berlin - Mit Drogen oder Alkohol ans Steuer? Eigentlich ist den meisten bewusst, dass berauschende Mittel den Straßenverkehr unsicherer machen. Nach einem Bier darf man aber oft noch Auto fahren, denn es gilt eine gesetzliche 0,5-Promille-Grenze. Nun will die Ampel-Koalition eine Legalisierung von Cannabis mit diversen Vorgaben wahr machen. Und ermittelt werden soll begleitend auch, wie ein verantwortbarer Grenzwert für den Wirkstoff THC gefasst werden könnte. Der Autofahrerclub ADAC schlägt eine differenzierte Regelung mit tendenziell strengeren Vorgaben für Fahranfängerinnen und Fahranfänger vor - und dringt überhaupt auf eine breite Aufklärung über erhöhte Unfallrisiken.

"Klar ist, dass mit der Sicherheit im Straßenverkehr nicht experimentiert werden darf", sagte ein ADAC-Sprecher auf Anfrage. Der Konsum von Cannabis könne die Wahrnehmung verändern und das Reaktionsvermögen negativ beeinflussen. Insbesondere Personen, die im Zuge einer Legalisierung Cannabis ausprobieren wollen und sich vorab nicht mit seiner bewusstseinsverändernden Wirkung auseinandergesetzt haben, seien sich dieser Gefahr womöglich nicht ausreichend bewusst. Eine intensive Aufklärung der Bevölkerung zu den erhöhten Unfallrisiken sei daher unverzichtbar und sollte frühzeitig umgesetzt werden.

Vor den Gefahren im Straßenverkehr sowie weiteren Unwägbarkeiten warnten nun auch die Innenminister der Bundesländer in einem Brief an die Abgeordneten des Bundestags sowie an Innenministerin Nancy Faeser (SPD). Es werde zwangsläufig "mehr Verkehrsunfälle mit leichten, aber auch mit schweren Folgen geben, die auf Cannabis-Einfluss zurückzuführen sind", heißt es in dem Schreiben vom Freitag, das Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen als Vorsitzender der Innenministerkonferenz unterzeichnete. Auch seien "gravierende negative Auswirkungen auf die Bekämpfung organisierter Kriminalität, den Kinder- und Jugendschutz sowie den Gesundheitsschutz zu befürchten". Vor allem für die Altersgruppe der unter 25-Jährigen berge Cannabis das Risiko unheilbarer psychischer Erkrankungen. Der Brief lag der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und der Deutschen Presse-Agentur vor.

Über die Gesetzespläne für eine kontrollierte Freigabe von Cannabis soll der Bundestag nach langen Diskussionen voraussichtlich in der kommenden Woche abstimmen. Eigenanbau und Besitz bestimmter Mengen sollen damit für Volljährige ab 1. April zum Eigenkonsum erlaubt sein. Ab 1. Juli sollen Clubs zum gemeinsamen Anbau möglich werden. Über die schwierigen Fragen rund um Cannabis am Steuer dürfte jetzt aber noch nicht gleich mit entschieden werden. Denn mit möglichen Grenzwert-Bestimmungen befasst sich derzeit erst eine Expertengruppe des Verkehrsministeriums. Die Ergebnisse sollen im Frühjahr vorliegen.

Bislang kein Grenzwert im Gesetz

Die Festlegung eines Grenzwertes erfolge "anschließend durch den Gesetzgeber", heißt es aus dem Ministerium. Bis dahin gilt aber nicht einfach nichts. Im Gegenteil: Ordnungswidrig handelt nach aktueller Rechtslage, wer "unter Wirkung" bestimmter berauschender Mittel ein Kraftfahrzeug führt, zu denen Cannabis gehört. Und eine solche Wirkung liegt vor, wenn die Substanz im Blut überhaupt nachgewiesen werden kann. Ein Grenzwert wie 0,5 Promille bei Alkohol steht bisher nicht im Gesetz. In der Rechtsprechung hat sich aber ein Wert von 1 Nanogramm THC pro 100 Milliliter Blut etabliert - ab dann drohen laut Verkehrsministerium Sanktionen: bis zu 3000 Euro Geldbuße, bis zu drei Monate Fahrverbot, zwei Punkte in der Flensburger Datei. Ausgenommen ist ärztlich verschriebenes Cannabis als Arzneimittel.

Diskutiert wird schon länger darüber, ob dieser faktische Grenzwert angepasst werden sollte. Beim Verkehrsgerichtstag sprachen sich Experten 2022 für eine "angemessene" Heraufsetzung aus. Denn der aktuell angewandte Wert von 1 Nanogramm liege so niedrig, dass er den Nachweis von Cannabis-Konsum ermögliche. Dies führe aber dazu, dass viele Betroffene sanktioniert würden, bei denen sich eine "Wirkung" im Sinne einer möglichen Minderung der Fahrsicherheit aus wissenschaftlicher Sicht nicht tragfähig begründen lasse.

Das Verkehrsministerium will sich nicht vorab festlegen und zunächst die Ergebnisse der Expertengruppe abwarten. Der ADAC schlägt eine differenzierte Regelung mit tendenziell strengeren Vorgaben für Fahranfänger vor - ähnlich wie beim Umgang mit Alkohol am Steuer in der Probezeit nach dem Führerschein-Erwerb und für unter 21-Jährige. Bei Fahranfängern sollte weiterhin die bloße Möglichkeit einer Wirkung der berauschenden Substanz bei 1,0 Nanogramm THC sanktioniert werden. Jenseits dieser besonders gefährdeten Gruppe müsse das Ziel sein, einen Wert zu definieren, "bei dem eine Verschlechterung der Verkehrssicherheit tatsächlich zu erwarten und nicht nur theoretisch möglich ist".

Der CDU-Verkehrspolitiker Florian Müller warnte, die Festlegung eines Grenzwertes zum gegenwärtigen Zeitpunkt bedeutete eine politische Festlegung. Damit flankierte Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) die Legalisierung, anstatt im Sinne der Verkehrssicherheit zu handeln. "Solange eine klare wissenschaftliche Basis fehlt, muss der Minister für eine Beibehaltung des Grenzwerts von 1 Nanogramm kämpfen."

Ob es in Zukunft mehr Fälle von Cannabis am Steuer geben wird? Das hänge sicher auch damit zusammen, wie gut und intensiv die Bevölkerung über die erhöhten Unfallrisiken aufgeklärt werde, heißt es beim ADAC. "Dabei ist auch ausreichend darüber zu informieren, dass das Fahren unter Drogen strafbar bleibt."