Armes Würstchen: Das Wienerle musste schon für vieles herhalten – jetzt ist eine Dose Wiener Würstchen sogar in einen vatikanischen Finanz-Skandal verwickelt. Foto: Pe Jo/Fotolia

In der vatikanischen Glaubenskongregation sind 20 000 Euro beschIagnahmt worden, die in einem Schreibtisch hinter einer Dose Wiener Würstchen versteckt waren. Wusste Behördenchef Gerhard Ludwig Müller davon? Und ist der Kardinal noch tragbar?

Rom - Ein neuer Finanzskandal im Vatikan? Oder doch nur eine aufgebauschte Bagatelle? Im Fadenkreuz der vatikanischen Finanzfahnder: Gerhard Ludwig Müller, mächtiger Präfekt der römischen Glaubenskongregation, in der Hierarchie die Nummer Drei im Kirchenstaat. Von Benedikt XVI. Anfang Juli 2012 vom Regensburger Bischofsstuhl auf den nach dem Papstamt einflussreichsten Posten in der römischen Kurie gehievt. Ausgerechnet Müller, der Bannerträger der Konservativen gegen die von Franziskus initiierten Reformen. Der Argentinier ist 2013 mit dem Anspruch angetreten, Korruption, Misswirtschaft und schwarzen Kassen im Kirchenstaat ein Ende zu setzen. Bremst der 67-jährige Müller nicht nur bei den seelsorglichen Reformen, sondern auch bei der Anti-Korruptions-Kampagne des Pontifex?

Vatikanischer Schlendrian

Kurien-Kardinal Müller. Foto: dpa

Die bisher bekannten Fakten deuten weniger auf ein zwielichtiges Verhalten des Kardinals hin als eher auf vatikanischen Schlendrian. Weder die aufgefundene Summe von 20 000 Euro noch die Indizien gegen Müller sind so gewichtig und stichhaltig, dass sein Kopf rollen und er von seinem Amt zurücktreten müsste. Müllers inzwischen suspendierter Verwaltungsleiter Mauro Ugolini (61), ein Vatikan-Faktotum, hat das Geld dem offiziellen Vernehmen nach in einer Schublade seines römischen Dienstschreibtisches im Palazzo del Sant’Uffizio hinter einer alten Dose Wiener Würstchen gebunkert. Die Scheine sollen aus Gebühren stammen, die der Vatikan weltweit aus den Bistümern für die Untersuchung von Fällen sexuellen Missbrauchs bezieht. Peinlicher geht’s nimmer.

Kardinal Müller leugnet jede Verstrickung

Müller leugnet jegliche Verstrickung in die pikante Würstchen-Affäre. Was soll er auch anderes tun? Egal, was bei den Ermittlungen herauskommen wird, der Ruf des Zwei-Meter-Mannes als vatikanischer Saubermann ist angekratzt. Wer als Glaubenspräfekt mit Argusaugen über die reine Lehre wacht, muss über jeden Verdacht persönlicher Bereicherung und Missmanagement erhaben sein. Schon der leiseste Zweifel, der kleinste Schatten würde ihn untragbar machen. Für Müller geht es also buchstäblich um die Wurst. Meint der italienische Journalist Gianluigi Nuzzi etwa ihn, wenn er in seinem neuen Buch über die Geldverschwendung im Kirchenstaat schreibt: „Im Herzen der Kirche klafft ein schwarzes Loch von Desinformation, Misswirtschaft, Verschleierung und Betrug.“

Vatikanische Burleske

Es sind die skurrilen Begleitumstände, die den Vorgang (je nach Sichtweise) zu einer römischen Burleske oder einem bayerischen Schwank machen. Da sind zum einen die armen Würstchen: Was um alles in der Welt macht eine alte Dose Wienerle in der Schublade eines hochrangigen Monsignore? Und warum soll ein geistlicher Strippenzieher, der sonst mit ganz anderen Summen jongliert, 20 000 Euro in bar ausgerechnet im Schreibtisch verstecken, wo Buchprüfer zuerst nachschauen?

Vielleicht steckt ein Komplott dahinter, mit dem Ziel Müllers Ruf als untadeliger Hardliner und päpstlicher Gegenspieler zu beschädigen. Dass Franziskus’ vatikanische Kritiker wie schon unter Benedikt XVI. zu unlauteren Mitteln greifen, ist hinlänglich bekannt. Eine Revanche also? Mit Müller im Fokus eines Finanz-Skandälchens, das sich zu einem Skandal ausweiten könnte?

In jedem Verdacht steckt ein Fünkchen Wahrheit. Oder doch nicht?

Es bestehe der Verdacht, heißt es, dass das Geld für private und dienstliche Zwecke des Kardinals verwendet wurde. Doch was soll ein Mächtiger wie Müller mit ein paar Tausend Euro anfangen? Weder ist er für einen Hang zum Luxus bekannt – wie der frühere Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone – noch für teure oder seltsame Hobbies. Vielmehr drängt sich der Verdacht auf, dass der so energisch und kompromisslos auftretende Müller seinen eigenen Laden nicht mehr oder nur bedingt im Griff hat. Alles Spekulation? Gewiss. Aber darin steckt bekanntlich immer ein Fünkchen Wahrheit. Oder doch nicht?