Franziskus hat spontan auf seine Predigt an Palmsonntag verzichtet. Foto: //S. Costantino

Der gesundheitlich angeschlagene 87-jährige Franziskus muss in der Karwoche bis an seine Belastungsgrenze gehen.

Für die Zehntausenden Gläubigen und Touristen auf dem Petersplatz war es ein banger Moment: Papst Franziskus saß während der Palmsonntagsmesse auf seinem Platz vor der Basilika, lauschte dem Verlesen des Evangeliums, und als die Textstelle erreicht war, die vom Tod Jesu berichtet, erhob er sich, um seine vorbereitete Predigt zu halten. Aber er blieb zwei oder drei endlos wirkende Minuten lang stumm und wirkte dabei müde und gebrechlich.

Dass der Papst auf die Palmsonntagspredigt verzichtet, ist ungewöhnlich – das letzte Mal erlebten dies die Gläubigen in Rom im Jahr 2005, als Papst Johannes Paul II. ebenfalls keine Predigt hielt, weil er aufgrund seiner Parkinson-Erkrankung seine Stimme verloren hatte. Wenige Tage später verstarb der Papst aus Polen.

Er kränkelt seit Längerem

Am Sonntagabend beschwichtigte der Vatikan: Es sei gar nicht geplant gewesen, dass Franziskus die Predigt halte. Sehr überzeugend klang das nicht, denn es war offensichtlich, dass der Papst gesundheitlich angeschlagen ist. Er kränkelt seit Längerem: Ende März vergangenen Jahres erlitt er einen Schwächeanfall und wurde in die Gemelli-Klinik eingeliefert, wo eine akute Bronchitis festgestellt wurde. Weil Ostern vor der Tür stand, verließ er das Krankenbett aber schon nach drei Tagen wieder, bevor er richtig gesund war. Im November wurde erneut eine Bronchitis diagnostiziert; wegen des Rückfalls musste Franziskus auf eine Teilnahme an der Klimakonferenz von Dubai verzichten. Im Winter grassierte im Vatikan eine Grippewelle, die auch ihn erwischte. Und seit rund einem Monat behindert ihn eine neue Atemwegsinfektion beim Sprechen.

Das sind keine optimalen Bedingungen mit Blick auf die Karwoche, zumal das Amt des Papstes auch in normalen Zeiten schon sehr anspruchsvoll ist. Als Papst ist Franziskus zugleich Kirchenführer und Staatsoberhaupt; jede Woche hält er im Vatikan Dutzende von Audienzen. Daneben schreibt er Predigten, Enzykliken und andere päpstliche Dokumente; gleichzeitig muss er den zweiten Teil der Weltsynode und das Heilige Jahr 2025 vorbereiten. Hinzu kommen die Reisen. Im April will Franziskus den vatikanischen Pavillon an der Biennale von Venedig besuchen, im Mai und im Juli Verona und Triest. Außerdem ist ein Besuch in Belgien geplant. Und als wäre dies noch nicht genug, arbeitet der Vatikan an einer 13 Tage dauernden Reise nach Singapur, Osttimor, Papua-Neuguinea und Indonesien. Alles im laufenden Jahr, mit 87 Jahren.

Fit wie ein Sechzigjähriger

Was die Osterfeierlichkeiten anbelangt: Der Vatikan hat am Sonntag bestätigt, dass der Papst an sämtlichen Anlässen der heiligen Woche teilnehmen wird. Das heißt zum Beispiel, dass er am Gründonnerstag eine Messe halten und am Abend die traditionelle Fußwaschung vornehmen wird – und zwar in der Frauenabteilung des Gefängnisses Rebibbia in Rom, wo er vor den Strafgefangenen in einer Demutsgeste niederkniet. Am Karfreitag ist wie jedes Jahr der stimmungsvolle Höhepunkt der Karwoche – der Kreuzweg im Kolosseum – vorgesehen. Am Ostersonntag findet der Gottesdienst auf dem Petersplatz statt, mit dem Segen „urbi et orbi“.

Muss man sich Sorgen um den Papst machen? „Nein“, sagt Sergio Alfieri, Chirurgie-Chefarzt der Gemelli-Klinik in Rom. Er hat den Papst im letzten Sommer am Darm und zwei Jahre zuvor auch wegen einer Divertikulitis operiert. Franziskus gehe es seinem Alter entsprechend gut; er habe abgesehen von den anhaltenden Problemen mit den Bronchien keine besonderen Krankheiten. Natürlich wäre es in seinem Alter normal, wenn er sich ausruhen würde, sagte Alfieri dem „Corriere della Sera“. Aber der Papst sei noch voll in der Lage, sein Amt alleine auszuführen, betont Alfieri: „Im Kopf ist er noch fit wie ein Sechzigjähriger. Franziskus hat uns vieles voraus.“