Der Republikaner Jeb Bush kündigt vor Studenten in Miami seine Präsidentschaftsbewerbung an. Foto: EPA

Das Weiße Haus braucht Erfahrung und eine neue Hinwendung zur Außenpolitik. Aber: keine politische Erbfolge, meint Politikredakteur Michael Weißenborn.

Stuttgart - Wenn sich Amerikas Republikaner ihren idealen Präsidentschaftskandidaten nur einfach so aussuchen könnten statt ihn in langwierigen und selbstzerfleischenden Vorwahlen zu küren: Dann würden – zumindest die Vernünftigen – einen Ex-Gouverneur eines großen Wechselwählerstaates auf den Schild heben. Dieser würde auf Erfahrung in der Privatwirtschaft zurückblicken und auf eine solide konservative Bilanz bei gesellschaftlichen Reizthemen. Am besten parliert der Kandidat genauso fließend auf Spanisch wie auf Englisch. Und diesen Kandidaten gibt es: Würde er nicht mit Nachnamen Bush heißen, Jeb, der ehemalige Gouverneur von Florida, würde unter den US-Konservativen genauso unvermeidlich scheinen wie Hillary Clinton bei den Demokraten.

Sein berühmter Nachname ist Fluch und Segen, der Jeb als Sohn eines Präsidenten und Bruder eines anderen ausweist. Damit hat er Zugang zu einem Unterstützernetzwerk und Wahlkampfspenden, von denen seine republikanischen Rivalen nur träumen. Dennoch konnte sich der etwas blasse Jeb Bush in Umfragen bisher nicht von seinen Verfolgern absetzen. Und das trotz seiner konservativen Regierungsbilanz in Florida: Er senkte die Steuern, schnitt den Staatsdienst zurück oder ging mit Schulgutscheinen gegen schlechte Schulen vor. In den USA ist der Name Bush eine Hypothek, nicht so sehr wegen des vermurksten Irak-Krieges seines Bruders George W., sondern wegen dessen verschwenderischer Ausgabenpolitik. Auch geht Jeb mit seiner Suche nach der Legalisierung von Millionen illegaler Einwanderer vielen Konservativen zu weit.

Aber auch Hillary Clinton, die am Wochenende beim ersten Wahlkampfauftritt Initiativen zur Rettung der bedrängten Mittelschicht ankündigte, ist bei den Demokraten noch nicht am Ziel. Zwar geht sie in ihrer Partei als klare Favoritin ins Rennen. Außerdem bevorzugen die US-Bürger nach den desillusionierenden Obama-Jahren klar jemanden mit „Erfahrung“ statt jemanden, der dem Land eine „neue Richtung“ gibt. Aber auch Hillary hat ihre – bekannten – Schwachstellen. Anders als ihr Ehemann ist auch sie keine mitreißende Wahlkämpferin. Und angesichts ihrer Jahrzehnte im Rampenlicht ist überraschend unklar, für welche politischen Positionen sie steht: Wie will sie größeres Wirtschaftswachstum und eine bessere Einkommensverteilung erreichen, ohne die Marktwirtschaft abzuwürgen? Außenpolitisch kritisierte sie Obama. Aber was heißt es konkret im Umgang mit Russland oder dem Islamischen Staat, dass dessen Leitprinzip „Mach keine Dummheiten“ nicht ausreiche.

Der einzige US-Präsident, der die Europäer nicht nervös macht, ist einer, den sie bereits kennen. Verlässlichkeit ist Trumpf. Deshalb und auch wegen ihrer Innenpolitik würden die meisten Bürger in der Alten Welt wohl für Hillary Clinton stimmen. Aber auch Jeb Bush ist alles andere als ein außenpolitischer Hasardeur. Auf seiner Europa-Tour unlängst sprach er sich dafür aus, mit Russland im Gespräch zu bleiben. Nach den Jahren der außenpolitischen Zurückhaltung der USA unter Obama würden es viele im Ausland begrüßen, wenn sich das Weiße Haus wieder stärker um die Welt außerhalb Amerikas kümmerte.

Die politische Erbfolge im Duell Jeb Bush gegen Hillary Clinton ist keineswegs ausgemacht. Die dynastischen Tendenzen in einem Land, das sich dereinst als antifeudale Freiheitsnation neu erfand, sind für viele Amerikaner einmal mehr ein Appell, die Machtstrukturen generell wieder durchlässiger zu machen. Die Politik als Familienbetrieb stößt auf wenig Gegenliebe. Die große Mehrheit der US-Bürger wünscht sich mehr Abwechslung auf ihrem Stimmzettel.