Hält ein Hotel, was es verspricht? Internetplattformen wie Holidaycheck geben Auskunft, müssen sich aber zunehmend betrügerischer Positivrezensionen erwehren. Foto: imago/Pond5 Images

Gefälschte Bewertungen auf Onlineplattformen diskreditieren den Internethandel. Nun verurteilt ein deutsches Gericht erstmals einen Fake-Anbieter aus dem Ausland.

Holidaycheck feiert es als wegweisendes Urteil im Kampf gegen Fake-Bewertungen im Internet. „Es zeigt, dass man vor einem deutschen Gericht erfolgreich gegen Fake-Anbieter aus dem Ausland prozessieren kann“, betont Jonas Ertlmaier das Besondere des Urteilsspruchs mit dem Aktenzeichen 37 O 11887/21. Er ist Fake-Experte des Reiseportals, das gerade recht bekommen hat gegen Goldstar Marketing, eine führende Fake-Bewertungsfirma mit Sitz in Zypern. Daran, dass deren Tun illegal ist, haben die Richter keinen Zweifel gelassen. „Fake-Bewertungen sind unlautere geschäftliche Handlungen“, heißt es im Urteil. Wer solche ausschließlich positive und als echte Verbrauchermeinung getarnte Irreführungen verkaufe, verstoße gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb.

Vor Gericht erscheint der Beklagte nicht

Den Positivbewertungen für Hotels sei kein dortiger Besuch vorangegangen, war für die Richter des Landgerichts München klar. Sie sind damit als frei erfunden entlarvt. Festgehalten ist das in einem sogenannten Versäumnisurteil, was tief blicken lässt. Diese Art von Urteilen wird gefällt, wenn der Beklagte gar nicht erst vor Gericht erscheint. In diesem Fall war das neben der Fake-Bewertungsfirma deren Hintermann Norbert Weber. Aus der Ferne behauptet der Geschäftsmann stets, nichts Verbotenes zu tun. Vor Gericht erscheint der Mann dann aber doch lieber nicht.

„Wir vermuten ihn in Dubai“, sagt Ertlmaier und ist vor allem auch über die Schärfe des Urteils erfreut. Denn demnach müssen Holidaycheck nicht nur Prozesskosten erstattet und Schadenersatz gezahlt werden. Weber wurde auch zu Unterlassung verurteilt und außerdem dazu, Auskunft darüber zu erteilen, wer die getürkten Positivurteile geschrieben hat. Für jede weitere Fake-Bewertung, die Goldstar für Holidaycheck verkauft, werden bis zu 250 000 Euro Ordnungsgeld fällig oder ein halbes Jahr Haft für Weber und seinen Geschäftsführer. „Da kommen wir in einen empfindlichen Bereich“, betont Ertlmaier; er meint insbesondere die Haftandrohung.

Rechtskräftig ist das Urteil nicht – und wird das möglicherweise auch nie, womit sich dessen problematische Seite zeigt. Die einmonatige Widerspruchsfrist gegen das Urteil läuft ab dessen Zustellung beim Verurteilten. Ob Goldstar aber noch lange auf Zypern firmiert und auch weiterhin so heißt, ist nach aller Erfahrung fraglich. Wo Weber sich genau aufhält, versuchen derzeit von Holidaycheck angeheuerte Privatdetektive herauszufinden.

Rechtsklarheit ist nun gegeben, doch die Vollstreckbarkeit ist begrenzt

„Recht haben und recht bekommen, ist ein großer Unterschied“, sagt die Rechtsexpertin der Verbraucherzentrale Bayern, Tatjana Halm, und seufzt. Auch sie kennt die Szene und ihre Methoden. Gerät eine Fake-Firma in den Fokus von Gerichten, benennt sie sich oft um, wechselt den Geschäftsführer und firmiert unter einer anderen Adresse.

Inhaltlich sorge das Urteil für Rechtsklarheit, sagt Halm. Aber seine Vollstreckbarkeit stoße schnell an Grenzen. Das bedauert auch Ertlmaier. Solange Firmen wie Holidaycheck nur auf Basis des Zivil- und nicht auf dem des Strafrechts gegen Unternehmen wie Goldstar vorgehen können, werde das wohl auch so bleiben. Zivilrechtliche Urteile seien in der Europäischen Union noch gerade so mühsam vollstreckbar. Aber jenseits davon werde es schwierig bis unmöglich. Denn dann verpufften Haftandrohung und Ordnungsgelder, von Schadenersatz und Kostenerstattung ganz zu schweigen.

„Unsere Aufdeckungskosten sind sechsstellig“, beziffert Ertlmaier den Aufwand, den Holidaycheck betreibt, um einen Fall wie den von Goldstar vor Gericht zu bringen. Selbst bei einem Sieg muss die Hotelbewertungsplattform dann fürchten, auf den Kosten sitzen zu bleiben. Angesichts dessen fühlt sie sich vom Gesetzgeber alleingelassen, der Taten wie die von Goldstar und Weber nicht als Bewertungsbetrug im Strafrecht verankern will.

Mit KI werden Fake-Bewertungen wohl häufiger werden

Strafrechtlicher Betrug setzt bezifferbaren Schaden voraus, den es bei Fake-Bewertungen nicht gibt, sagen viele Juristen. Holidaycheck verweist auf Italien. Dort hat das Reiseportal Tripadvisor gegen einen nun vorbestraftem Täter eine neunmonatige Haftstrafe erwirkt. „Dieser Fall zeigt, dass es in Europa möglich ist, Verurteilungen im Strafrecht zu erreichen, wenn es um Bewertungsbetrug geht “, betont Ertlmaier.

Halm ist skeptisch, ob solche Fälle in Deutschland jemals strafrechtlich geahndet werden. Leicht möglich wäre es aber nach ihrer Meinung, das Wettbewerbsrecht so zu verschärfen, dass es zu einem scharfen Schwert gegen Bewertungsbetrüger wird. „Das steht aber momentan nicht auf der Agenda der Politik“, bedauert die Juristin und sieht harte Zeiten für Verbraucher und Bewertungsplattformen aufziehen. Denn bald drohten Fake-Bewertungen massenhaft und kaum noch erkennbar mithilfe von Künstlicher Intelligenz erstellt zu werden. „Es ist Zeit, das Thema ernst zu nehmen“, appelliert Halm an den Gesetzgeber.