Teilnehmer einer Mahnwache rechter Gruppen stehen mit einem Schild mit einem Logo der identitären Bewegung und der Aufschrift „Remigration Jetzt“ vor dem Bundeskanzleramt. Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Eine Jury hat das Wort „Remigration“ zum Unwort des Jahres 2023 gewählt. Eine bekannte Fernsehmoderatorin hat im Netz dazu aufgerufen, mit Vorsicht damit umzugehen.

„Remigration“ ist zum Unwort des Jahres 2023 gekürt worden. Das gab die Jury der sprachkritischen Aktion an diesem Montag in Marburg bekannt. Aber was bedeutet der Begriff überhaupt?

In der Begründung der Sprachwissenschaftler und -wissenschaftlerinnen sowie anderer Experten heißt es: Der Ausdruck werde von Rechtsextremen beschönigend für die Forderung nach Zwangsausweisungen und Deportationen benutzt. Remigration sei ein beschönigender Kampfbegriff und solle eine menschenunwürdige Abschiebepraxis verschleiern.

Rechte: Menschen ausländischer Herkunft sollen Deutschland verlassen

Der Begriff steht für eine hochaktuelle Debatte um die Erstarkung rechtsextremer und nationalistischer Kräfte in Deutschland. Am vergangenen Mittwoch hatte der Rechercheverbund Correctiv über ein Treffen in einer Potsdamer Villa berichtet, an dem im November auch AfD-Funktionäre sowie einzelne Mitglieder der CDU und der erzkonservativen Werteunion teilgenommen hatten.

Der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, hatte bei der Veranstaltung über „Remigration“ gesprochen. Das bestätigte Sellner im Nachgang selbst. Wenn Rechtsextremisten den Begriff Remigration verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll – auch unter Zwang.

Nach Bekanntwerden des Treffens gab es in den vergangenen Tagen vermehrt Kundgebungen und Demonstrationen gegen Nazis und Rechtsextreme in verschiedenen Teilen Deutschlands. Auch die Debatte um ein Parteiverbot der AfD nahm weiter Fahrt auf.

Unabhängig davon hatte die Sprachwissenschaftlerin und Jury-Sprecherin Constanze Spieß bereits im Dezember berichtet, dass „Remigration“ unter den Einsendungen für die „Unwort“-Kür war – also schon vor der nun aktuellen Debatte.

Dunja Hayali mit Botschaft auf Social Media

Auch bei Prominenten haben die Enthüllungen rund um das Treffen besorgte Rekationen hervorgerufen. Moderatorin Ruth Moschner beantwortete auf ihren Social-Media-Kanälen Fragen besorgter Follower. Besonders eingängig beschäftigte sich Moderatorin Dunja Hayali auf Instagram mit dem Thema. In einem Posting richtete sie sich mit drei Bitten an ihre Follower.

Man soll das Wort „Remigrationspläne“ nicht oder nur mit Anführungszeichen verwenden, so die ZDF-Moderatorin. „Dieses weichgezeichnete Wort kaschiert die Klarheit. Und klar ist, es geht um Deportation. ‚Kulturfremde, nicht assimilierte’ Menschen bzw. Menschen mit einer ‚vermeintlich falschen Hautfarbe oder Herkunft’ sollen mit ‚wohltemperierter Grausamkeit’ abgeschoben werden“, schrieb die 49-Jährige.

Nur, weil Politiker aus der Regierungspartei verschärfte Regeln für Asylsuchende fordern würde, dürfe das Wort nicht übernommen werden. Und – das sei für sie „fast noch am wichtigsten“ – „hören Sie auf, auch wenn Sie es gut meinen, zu fragen: „Sie wollen meinen Arzt abschieben?“ Oder: „Wie stellen die sich das vor, wer soll dann hier die ganze Arbeit machen.“ Auch nicht besser ist es als (Bleibe-)Argument anzuführen: „Ich zahle hier steuern, ich habe das und das geleistet“, heißt es in dem Posting.

Die Debatte dürfe nicht darauf hinauslaufen, zu erörtern, „welchen ‚Mehrwert’ Menschen innerhalb einer Gesellschaft haben!“ So könne man schnell dazu kommen Leben in „wertes und unwertes Leben“ zu unterteilen. „Das hatten wir schon mal“, schrieb Hayali und spielte damit auf die NS-Zeit ein.

Das waren die Unworte des Jahres in den vergangenen Jahren

Aktion
Mit dem „Unwort des Jahres“ wollen Experten auf die Wirkung von Sprache aufmerksam machen. Sie wählen jährlich einen Begriff aus, der die aktuelle Debatte prägt und aus ihrer Sicht sachlich unangemessen ist, gegen die Menschenwürde verstößt oder gesellschaftliche Gruppen abwertet. Das erste Unwort 1991 lautete „ausländerfrei“. Seit 2000 wurden folgende Begriffe zum Unwort des Jahres erklärt:

  • 2023: Remigration
  • 2022: Klimaterroristen
  • 2021: Pushback
  • 2020: Rückführungspatenschaften, Corona-Diktatur
  • 2019: Klimahysterie
  • 2018: Anti-Abschiebe-Industrie
  • 2017: alternative Fakten
  • 2016: Volksverräter
  • 2015: Gutmensch
  • 2014: Lügenpresse
  • 2013: Sozialtourismus
  • 2012: Opfer-Abo
  • 2011: Döner-Morde
  • 2010: alternativlos
  • 2009: betriebsratsverseucht
  • 2008: notleidende Banken
  • 2007: Herdprämie
  • 2006: freiwillige Ausreise
  • 2005: Entlassungsproduktivität
  • 2004: Humankapital
  • 2003: Tätervolk
  • 2002: Ich-AG
  • 2001: Gotteskrieger
  • 2000: national befreite Zone