Die gläserne Postbankzentrale am Bundeskanzlerplatz in Bonn zeigt sich derzeit eher abweisend. Foto: Oliver Tjaden

Die Postbank und die Deutsche Bank verschmelzen ihre digitalen Plattformen miteinander. Dies verursacht schon seit Monaten massiv Unmut bei den Postbank-Kunden – mit dem vorläufigen Höhepunkt an diesem Wochenende.

Bei der Postbank geht es allem Anschein nach vogelwild zu. Der Ärger mit den Kunden übersteigt das übliche Maß bei Weitem. Viele sehen nicht nur ihre digitalen Bankgeschäfte behindert, sondern ärgern sich auch darüber, dass sie teils über Monate nicht an ihr Geld kommen. An diesem Wochenende bestand gar keine Chance dazu.

Formal ist die Postbank nur noch eine Niederlassung der Deutschen Bank. Die stufenweise Übernahme durch die Frankfurter begann vor 15 Jahren, doch erst jetzt verschmelzen unter dem Projektnamen „Unity“ die IT-Plattformen miteinander. Bis zu diesem Montag schließen sie, wie es heißt, „eine der größten IT-Migrationsprojekte im europäischen Bankensektor“ ab. Beim Umzug würden in vier Wellen alle rund 19 Millionen Produktverträge von Postbank-Kunden auf die Plattform der Deutschen Bank übertragen, sagt ein Sprecher. Zudem werde für mehr als fünf Millionen Kunden ein neues Online- und Mobile-Banking eingeführt.

19 Millionen Verträge werden verlagert

Bisher seien erfolgreich 15 Millionen Verträge migriert und 3,7 Millionen Kunden ins digitale Banking überführt worden. Im Zuge der vierten Welle würden die ausstehenden rund vier Millionen Verträge migriert, und weitere 1,9 Millionen Kunden erhielten Zugang zu den digitalen Kanälen. Ferner würden nun die Firmenkunden übertragen.

„Im Vorfeld des letzten Migrationsschrittes haben wir unsere Kunden frühzeitig und auf allen uns zur Verfügung stehenden Kanälen über vorübergehende Einschränkungen informiert“, versichert der Sprecher. Die Kapazitäten in der Kundenbetreuung seien deutlich aufgestockt worden. Wegen des IT-Umzugs stünden Online- und Mobile-Banking bis Montag um 14 Uhr nicht zur Verfügung – das Telefonbanking bis 9 Uhr.

Der Druck durch einen Anwalt bringt das Geld zurück

Allerdings grollen die Kunden seit Monaten: Wochenlang hat etwa W. Schmid aus Winterbach (Rems-Murr-Kreis) versucht, an seine Spareinlagen in Höhe von 35 000 Euro zu kommen. Acht Umbuchungsaufträge habe er seit Mitte April über das Telefonbanking erteilt – ohne Erfolg. Die Mitarbeiter der Postbank hätten ihm am Telefon jeweils bestätigt, dass die Aufträge ausgeführt würden, doch nichts sei passiert. Mindestens 20 Telefonate habe er geführt, endlose Zeiten in der Warteschleife verbracht. Mails an die Serviceadresse und Schreiben an die zuständige Abteilung seien unbeantwortet geblieben.

Nach vier Wochen platzte Schmid der Kragen; er schaltete einen Rechtsanwalt ein, der dem Unternehmen eine Frist bis zum 24. Mai setzte. „Just zu diesem Termin ist mein Sparguthaben eingegangen“, sagt er. Offenbar führe nur Druck zum Ergebnis. Durch Zinsverluste sei ihm aber ein wirtschaftlicher Schaden von 500 Euro entstanden, den er noch geltend machen wolle. „Unsäglich“ nennt er den ganzen Vorgang. „Es kann doch bei einer so seriösen Institution nicht sein, dass der Kunde so hingehalten wird.“ Wenn der Zugriff auf das eigene Geld verwehrt ist, „kriegt man ein ziemlich mulmiges Gefühl“.

„Niemand fühlt sich zuständig“

Gravierende Erfahrungen hat auch der Esslinger Unternehmer Michael P. gemacht, dessen Familie einen höheren fünfstelligen Betrag bei der Postbank geparkt hat und im Grunde seit Januar versucht, an das Guthaben zu kommen. Erst nachdem er kürzlich in einer Filiale lautstark interveniert hat, wurden zunächst 20 000 Euro überwiesen. Glücklicherweise sei es nur ein Rücklagenkonto und kein Gehaltskonto, sagt P.

Er habe auf seiner „Odyssee“ erfahren, „dass sich niemand zuständig fühlt“. Ein Abteilungsleiter aus Stuttgart habe das Telefonat abgebrochen und abrupt den Hörer aufgelegt, weil ihm der Fall zu verworren erschien. Er lasse sich nicht so einfach abwimmeln, aber „dieses Gehabe von oben herab und diese Sturheit“ – das hat P. massiv gestört, da kann er sich richtig in Rage reden.

Einfach mal die Tür verschlossen

Eine Filialmitarbeiterin habe ihm erzählt, dass es vor ca. drei Monaten so schlimm gewesen sei, dass man die Eingangstür verriegelt hätte, „weil so viele Leute nicht an ihr Geld kamen“. Als besondere Frechheit empfindet es P., dass die Postbank dann noch unvermittelt das Konto gekündigt hätte. Dabei „haben wir dort noch nie einen Euro Schulden gehabt“. Zudem hätte dies den Zugriff auf das Guthaben noch erschwert.

In den sozialen Medien finden sich viele Hinweise frustrierter Kunden. „Ihr IT-Umzug ist eine Katastrophe“, schreibt „Ypsolot“ auf Twitter. „Seit Tagen versuche ich an Kontoauszüge ranzukommen, und nichts geht mehr.“ Aktuell twittert „Sebastian Werner“: „Ihr habt vor 40 Jahren mal Maßstäbe gesetzt mit BTX online banking . . . nun reicht es nicht mal fürs Mittelfeld. Schade.“ Bei den Verbraucherzentralen häufen sich seit Jahresbeginn die Beschwerden, auch die Bankenaufsicht Bafin nimmt sich der Sache an.

Reklamierte Beträge werden erstattet

Der Postbank-Sprecher versicherte am Freitag: Im Rahmen der Migrationsschritte sei es bisher nicht zu zentralen Störungen gekommen. „Unsere Filialen konnten wie geplant geöffnet, die Systeme hochgefahren werden.“ Sollten Kunden durch Rücklastschriften oder Entgelte Schäden entstanden sein, sollten sie dies melden. „Grundsätzlich erstatten wir reklamierte Beträge, wenn wir bei Prüfung der Reklamation einen Fehler, zum Beispiel durch menschliches oder technisches Versagen, bei uns entdecken.“

Mit der neuen Struktur will die Deutsche Bank von 2025 an pro Jahr 300 Millionen Euro einsparen. Inwieweit das verlorene Kundenvertrauen bei der Postbank zu Buche schlägt, das wird sich bald schon zeigen.