In solchen Fahrzeugen würden Paletten unterirdisch transportiert Foto: CST

In einem Tunnelsystem von Genf bis nach St. Gallen will man in der Schweiz in einigen Jahren viele Güter unterirdisch transportieren.

Stuttgart - Staus gehören auch in der Schweiz zum Alltag. Doch während man in Deutschland in jeder Region eine eigene Lösungen sucht, versucht man sich im Nachbarland am großen Wurf. Und der führt unter die Erde.

„Es ist dringend nötig, angesichts der Mobilitätsprobleme andere Modelle zu suchen“, sagt beispielsweise der Schweizerische Generalkonsul in Stuttgart, Ernst Steinmann. Das Modell hat längst einen Namen: Es heißt Cargo sous terrain (CST), und die Vision ist kühn: ab 2045 sollen Millionen Tonnen Güter wie Tiefkühlpizzen, Brot oder Baustoffe unterirdische durch die Schweiz an ihren Zielort gelangen. Geplant ist ein 450 Kilometer langes Tunnelsystem von Genf bis nach St. Gallen. An der Tunneldecke sollen Seilbahnen leichtere Fracht befördern, zum Beispiel Briefe und Pakete. Auf dem Tunnelboden sollen unbemannte, über eine Induktionsschiene elektrisch angetriebene Fahrzeuge auf Rädern die schweren Güter von A nach B bringen. Sie wären 24 Stunden am Tag mit 30 km/h unterwegs. Ein- und ausladen würde man die Waren in rund 80 sogenannten Hubs. Sie würden meistens am Stadtrand gebaut. Die letzten Kilometer in die City hinein sollen dann mit Elektrofahrzeugen zurückgelegt werden.

Die Neue Züricher Zeitung spricht von einer „Revolution im Güterverkehr“. Denn mit dem gigantischen Tunnelsystem könnten, so sagt CST-Präsident Peter Sutterlüti, auf den Autobahnen 40 und in der Stadt bis zu 30 Prozent an Lkw-Fahrten eingespart werden. Ins Leben gerufen wurde Cargo sous terrain vor gut zwei Jahren von Einzelhandelsketten wie Coop und Migros, Logistikern wie Rhenus, der Züricher Kantonalbank und der Swisscom. Aber auch der Softwareriese SAP, der Tunnelbauer Herrenknecht und der chinesische Investor Dagong sind mit von der Partie.

Die erste Teilstrecke des Tunnels von Zürich bis zur „Lagerhalle der Nation“ ist schon in Planung. So heißt das Mittelland zwischen den Alpen und dem Jura-Gebirge. Es ist ein Knotenpunkt für die Güterverteilung. Die Post, die im Verwaltungsrat von CST sitzt, hat dort in Härkingen ihr größtes Paketzentrum. Nebenan in Neuendorf steht das größte Migros-Logistikzentrum .

Doch bevor der erste Spatenstich für die Pilotstrecke im Jahr 2020 gemacht wird, gibt es noch einige Hürden zu nehmen. So muss die Eidgenossenschaft erst noch ein Gesetz erlassen. Bisher kann man nur bei öffentlichen Projekten unter privaten Grundstücken hindurchbohren, ohne dass man die Eigentümer befragen muss. Für ein privates Unternehmen wie CST ist das noch nicht möglich. Braucht man aber von jedem Grundstücksbesitzer das Einverständnis, würde dies die Bauzeit verlängern. Die Rendite würde erst Jahre später erwirtschaftet. Das kann sich CST nicht leisten. Denn die Investitionen, die von den Partnern vorgestreckt werden müssen, sind enorm.

In zwei Machbarkeitsstudien wurden bereits rund sechs Millionen Euro gesteckt. Der Bau der Pilotstrecke ist mit 2,4 Milliarden Euro veranschlagt. Und der Vollausbau käme auf rund 25 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Der neue Gotthard-Tunnel hat elf Milliarden Euro gekostet. Kritiker warnen: Tunnel gehörten zu den teursten Infrastrukturobjekten. Mit Elektroautos und autonom fahrenden Transportern könne der steigende Warenverkehr ebenfalls umweltfreundlicher auf der Straße bewältigt werden. Dem hält Sutterlüti entgegen: Ein Tunnelbau sie „schneller zu realisieren als ein Straßenausbau“. Zudem seien die Betriebskosten „über die gesamte Lebensdauer gesehen nicht teurer“. Denn ein unterirdischer Bau sei „viel geschützter“ und erfordere deshalb weniger Instandhaltungskosten.