Nach Beratungen mit seiner Partei Nidaa Tounes übertrug der tunesische Präsident Beji Caid Essebsi (rechts) das Amt des Ministerpräsidenten auf den bisherigen Minister für lokale Angelegenheiten, Youssef Chahed. Foto: AFP

Der tunesische Präsident Beji Caid Essebsi hat Youssef Chahed zum neuen Regierungschef ernannt und riskiert damit Proteste und den Vorwurf der Vetternwirtschaft.

Tunis - Nach Beratungen mit seiner Partei Nidaa Tounes übertrug der tunesische Präsident Beji Caid Essebsi das Amt des Ministerpräsidenten auf den bisherigen Minister für lokale Angelegenheiten. Dieser soll Habib Essid ablösen, dem das Parlament in Tunesien am Samstag wegen seiner Wirtschafts- und Sicherheitspolitik das Misstrauen ausgesprochen hatte. Chahed nannte seine Berufung eine Botschaft der Zuversicht auch für die jungen Menschen des Landes. Zugleich wies er Berichte zurück, er sei verwandt mit dem Staatspräsidenten.

Essebsis säkulare Partei Nidaa Tounes und die gemäßigt islamistische Ennahda haben die Mehrheit im Parlament und bilden eine Koalition. Eine Bestätigung Chaheds durch die Abgeordneten dürfte damit sicher sein. Der 41-Jährige ist Agrarwissenschaftler, hat an mehreren Universitäten in Tunesien und Frankreich gelehrt und gehört zur Führung der Nidaa Tounes.

Kritik der Opposition

Allerdings stieß schon die Absicht des Präsidenten, Chahed zum Regierungschef zu ernennen, auf Kritik in der Opposition und selbst bei Abgeordneten von Nidaa Tounes. Der Präsident sieht sich zudem Vorwürfen ausgesetzt, er wolle die Führung in seiner Partei auf seinen Sohn Hafed übertragen und so eine Dynastie schaffen.

Tunesien galt als Musterbeispiel für einen demokratischen Wandel nach dem sogenannten Arabischen Frühling. Nach dem Sturz des autokratischen Präsidenten Zine El-Abidine Ben Ali im Jahr 2011 gingen die weltlichen und religiösen Parteien wiederholt Kompromisse ein, um die Demokratisierung voranzubringen. Das nationale Dialogquartett aus Gewerkschafts- und Arbeitgeberverband, Menschenrechtsliga sowie Anwaltskammer erhielt im vergangenen Jahr den Friedensnobelpreis. Allerdings steht die Regierung nach Anschlägen von Islamisten unter Druck, und politische Grabenkämpfe bremsen die wirtschaftliche Entwicklung des Landes.