Isodora muss sich noch Speck anfuttern, bis sie in den Winterschlaf darf. Foto: Lichtgut/Horst Rudel

Die Igel bereiten sich allmählich auf den Winterschlaf vor. Doch viele sind so mager, dass sie den Winter nicht überstehen. Die Igelstationen in der Region Stuttgart retten gefährdete Tiere – und kämpfen selbst ums Überleben: Das Geld geht ihnen aus.

Stuttgart - Scheu rollt sich Isodora zu einer Kugel zusammen und stellt die Stacheln hoch. Das Igelmädchen mag es nicht, wenn man es in die Hand nimmt. Und kaum setzt Anette Lampart es wieder in seine Box, kuschelt es sich schnell in sein Handtuch ein. Isodora ist eins von acht Igeljungen, die Lampart gebracht worden sind. Die 45-jährie Tierheilpraktikerin betreibt seit drei Jahren eine Igelstation in Esslingen, die dem Igelverein Stuttgart angeschlossen ist. Ihre acht Pensionsgäste haben alle starkes Untergewicht. Ein Grund ist, dass die Gärten oft so aufgeräumt sind, dass die stachligen Genossen dort kaum noch Insekten finden. Auch verletzte Tiere werden Lampart gebracht, weil die Igel auf der Suche nach Futter immer mehr Gärten durchqueren und daher auch mehr Straßen überqueren müssen und dabei irgendwann überfahren werden. „Oft sind sie nicht tot, sondern können noch gerettet werden“, sagt Lampart.

Mit 500 Gramm geht es in die Winterpause

Isodora wog knapp 50 Gramm, als sie in die Igelstation kam. Jetzt wiegt sie mit 100 Gramm so viel wie eine Tafel Schokolade. Auch ihre Artgenossen sind alle noch Leichtgewichte . „Rund 500 Gramm sollten sie schon haben, bevor es in den Winterschlaf geht. Immerhin müssen sie drei Monate ohne Futter auskommen“, sagt Lampart. Sie päppelt die Findelkinder mit speziellem Igel- , aber auch Katzenfutter wieder auf. Mitunter kommt auch das Fläschchen zum Einsatz. Verletzte Tiere bringt sie zum Tierarzt, verabreicht ihnen Medikamente, bis sie wieder fit für ein Leben in der Natur sind. Das alles kostet Geld, das der Verein nicht hat.

In Baden-Württemberg betreibt der Igelverein ein Igelkrankenhaus im Landkreis Heilbronn – und zehn Igelstationen, fünf davon in der Region Stuttgart. „Bis heute habe ich im Krankenhaus 200 Tiere aufgenommen. In den Igelstationen leben ständig zehn bis 20 Tiere“, sagt die Vereinsvorsitzende Elisabeth Swoboda. Das Problem der 69-Jährigen: Die Kosten fürs Krankenhaus liegen pro Jahr bei rund 30 000 Euro, für die Stationen bei je 5000 bis 10 000 Euro. „Viele Stiftungen unterstützen uns nicht mehr, weil das Stiftungsvermögen kaum noch Zinsen abwirft. Und selbst das Tierheim Stuttgart, das uns früher mit Futterspenden weitergeholfen hat, hat seine Hilfe eingestellt“, klagt Swoboda und fühlt sich im Stich gelassen.

Ins Tierheim nur im äußersten Notfall

Marion Wünn, Geschäftsführerin des Stuttgarter Tierheims, will den Vorwurf so nicht stehen lassen. „Auch wir bekommen mittlerweile weniger Futterspenden. Außerdem hat der Igelverein seinen Sitz im Kreis Heilbronn, so dass wir in Erklärungsnot gegenüber der Stadt kommen, wenn wir die städtischen Gelder für Tiere außerhalb Stuttgarts ausgeben. Und außerdem gibt es die Zuschüsse nur für Haustiere“, sagt sie.

Die Stuttgarter Tierschützer nehmen Igel und andere Wildtiere auch nur „im alleräußersten Notfall“ auf. Grund ist der Paragraf 11 im Tierschutzgesetz. „Der untersagt, Wildtiere aus ihrem natürlichen Umfeld zu nehmen“, sagt Wünn. Kommen nun Privatleute, die einen Igel aufpäppeln, mit dem Gesetz in Konflikt? Ulrich Arzberger vom Landwirtschaftsministerium sagt dazu: „Privatpersonen dürfen einen Igel dann aufnehmen, wenn er verletzt, hilflos oder krank ist. Sobald das Tier wieder ohne Hilfe über die Runden kommt, muss es unverzüglich freigelassen werden.“

Isodora und ihre Artgenossen, die derzeit von Anette Lampart kugelrund gefüttert werden, damit sie aus dem Winterschlaf wieder aufwachen und danach kräftig genug sind, auf Insektenjagd zu gehen, würden ohne die Hilfe der 45-Jährigen nicht überleben. Wer die Kosten für die 150 Gramm Futter pro Kopf bezahlt, ist den stachligen Genossen dabei egal. Etwa drei Wochen bleibt ein Igel in der Igelstation. Dann wird er wieder ausgewildert. „Der Idealfall ist, wenn er von den Menschen, die ihn gebracht haben, abgeholt und dort ausgesetzt wird, wo er gefunden wurde“, sagt Anette Lampart und blickt auf Isodora: Wenn die tüchtig futtert, darf sie spätestens Ende November wieder in die Freiheit.