Ehrlich und authentisch: Thomas Hitzlsperger bei seinem Besuch in Schorndorf Foto: Eva Herschmann

Der ehemalige Fußballprofi Thomas Hitzlsperger hat in der Kalaluna Sportsbar in Schorndorf über sein Buch „Mutproben“, sein Leben, den VfB Stuttgart und sein Outing gesprochen. Rund 120 Zuhörer und VfB-Fans sind begeistert von der Offenheit und der Authentizität des 41-Jährigen.

Thomas Hitzlsperger war Fußballprofi, unter anderem beim VfB Stuttgart, er ist Sportfunktionär und Fernsehexperte. Vor allem aber ist der 41-Jährige sympathisch, ehrlich, offen und authentisch. Bei seinem Besuch am Dienstag in der Kalaluna Sportsbar in Schorndorf hat er kein Blatt vor den Mund genommen. Hat von seinen Ängsten erzählt, aber auch davon, wie viel Zuspruch er nach seinem Outing im Januar 2014 bekommen hat. Seine Lebensgeschichte, die er in dem Buch „Mutproben“ niedergeschrieben hat, hat er im Gespräch mit Moderator Christian Riethmüller den rund 120 Fans nähergebracht.

Angst und Vorurteile

Es habe eine Weile gedauert, bis er sich eingestanden habe, dass er homosexuell ist, sagte der 41-Jährige. „Und dann noch einmal, bis ich es meinen Liebsten, also der Familie erzählen und in meinem Fall auch an die Öffentlichkeit gehen konnte.“ Er hoffe, dass es Leute ermutige, dasselbe zu tun. Ihm sei klar gewesen, dass ihn nichts außer der eigenen Angst und den Vorurteilen anderer Menschen vor dem Outing abhielt. „Da braut sich einiges zusammen im Kopf.“ Er habe gewusst, dass das Gesetz in Deutschland ihn schütze. „Auch wenn es mich nicht vor der Gesellschaft beschützt, beziehungsweise vor einzelnen Menschen, die schräg drauf sind. Und dann habe ich mir gesagt, jetzt marschiere ich los.“

Und es habe tatsächlich keinen Grund gegeben, sich Sorgen zu machen, sagte Thomas Hitzlsperger. „Ich will den Leuten mit meinem Privatleben nicht auf die Nerven gehen.“ Aber er gehe bewusst mit seiner Sexualität um, weil er Gesicht zeigen und andere unterstützen wolle. Denn obschon sein Coming-out bereits zehn Jahre zurückliegt, ist bisher kein weiterer deutscher Profi-Fußballer seinem couragierten Beispiel gefolgt.

Hitzlsperger setzt sich für Vielfalt und Toleranz, gegen Rassismus und Gewalt im Fußball und in der Gesellschaft ein, und er ist auch ein kritischer Geist, wenn es um das große Geschäft mit dem Fußball geht. Mittlerweile zählt er allerdings selbst zu den Investoren, um die es zuletzt in der Bundesliga so oft ging. Thomas Hitzlsperger hat nämlich Geld investiert und ist Teilhaber am dänischen Zweitliga-Fußballclub Aalborg BK.

Mut hat Thomas Hitzlsperger schon früh bewiesen. Als 18-jähriger Jugendspieler bei Bayern München flog er ohne Wissen seines Vereins und seiner Eltern nach Birmingham. „Ich bin mit einem noch nicht unterschriebenen Vertragsangebot von Aston Villa zurückgekommen und wurde zum ersten Mal überhaupt ins Büro von Uli Hoeneß zitiert. Das hätte ich sonst sicher nicht geschafft.“ Der damalige Bayern-Boss sei nicht begeistert gewesen und habe ihm ein Angebot für die zweite Mannschaft gemacht. „Da war klar, dass es Zeit ist, zu gehen.“

Spitzname „Hitz, the Hammer“

Thomas Hitzlsperger wechselte in die englische Premier League und reifte dort zum Spieler mit dem Spitznamen „Hitz, the Hammer“ heran. Die Zeit bei Aston Villa hat ihn geprägt. Noch heute verbringt er viel Zeit im „Mutterland des Fußballs“. Hitzlsperger ist Inhaber des „L’Escargot“ in London, dem ältesten französischen Restaurants in der britischen Hauptstadt, mit dem seiner Meinung nach besten Schokoladensoufflé.

Natürlich spielte auch die Zeit beim VfB Stuttgart, mit dem er 2007 deutscher Meister wurde, eine Rolle. Das Kalaluna ist schließlich ein Treffpunkt der Anhänger des Vereins für Bewegungsspiele. Grinsend erzählte Hitzlsperger, dass man ihn vor seinem Wechsel vor den schwäbischen Bruddlern auf der Haupttribüne gewarnt habe. „Es hieß, es ist ein schwieriges Umfeld.“ Schwierig sei die Anfangszeit tatsächlich für ihn gewesen. „Mich hat Matthias Sammer im März 2005 überzeugt, zu kommen, und als ich im Juni kam, war er schon weg.“ Stattdessen war Giovanni Trapattoni Trainer. „Und der wusste nicht, was er mit mir anfangen sollte.“ Das erste Jahr sei zäh und das Einleben in Stuttgart nicht allzu leicht gewesen. Aber später habe er hier seine schönste und erfolgreichste Zeit erlebt. „Ich war Kapitän, spielte eine Rolle im Verein und der Nationalmannschaft.“ Über den Abschied viele Jahre später, nachdem er kurze Zeit Sportvorstand gewesen war – „Meine beste Tat, war, dass ich den Sven Mislintat ins Boot geholt habe.“ – hat Hitzlsperger ebenfalls gesprochen, und Fehler eingeräumt, vor allem im Umgang mit Claus Vogt, dem VfB-Präsidenten und Aufsichtsratsvorsitzenden. Er habe das Problem unterschätzt, gestand er. „Und dann gab es einen Riesenknall. Ich habe gemerkt, ich habe es schlecht gemacht.“ Doch er komme immer gerne wieder nach Stuttgart zurück, und in dieser Saison besonders. „Die, die jetzt da sind, machen ihre Arbeit auf beeindruckende Weise.“ Deshalb überrasche ihn der dritte Platz nicht so sehr. „Mich überrascht mehr, dass Serhou Guirassy noch immer da ist.“ Tatsächlich habe der VfB derzeit auf entscheidenden Positionen die richtigen Leute.

„Es sollte mehr Menschen wie ihn geben“, sagte Christoph Burandt aus Kempten. Dem Marathonläufer von der Leichtathletikabteilung des VfB Stuttgart hat Thomas Hitzlsperger „Alles Gute für Boston and beyond!“ als Widmung ins Buch geschrieben.