Das Freundschaftsspiel zwischen Frankreich und Deutschland ist in vollem Gange, als der Terror in Paris seine hässliche Fratze zeigt – bange Minuten für die mehr als 70 000 Menschen im Stade de France. Ein Augenzeugenbericht.

Paris - Ereignislos ist das Spiel bislang geblieben, gut zwanzig Minuten sind vorüber, als im Stade de France ein mächtiger Knall zu hören ist. Kurz darauf noch einmal: bumm. Man kennt es aus Fußballarenen, wo Unverbesserliche gerne bengalische Feuer und Böller zünden – diesmal aber klingt es anders, viel lauter und viel verstörender, nicht wie ein simpler Kanonenschlag an Silvester. Dass sich aber draußen Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt und Menschen mit in den Tod gerissen haben, das ahnt in diesem Moment keiner.

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Mehr als 70 000 Zuschauer sitzen im Stade de France im Norden von Paris, das Länderspiel zwischen Frankreich und Deutschland geht normal weiter. Kurz vor der Pause gehen die Franzosen in Führung, kurz vor Schluss jubeln sie über das 2:0. Die Stimmung hat sich aber verändert, denn die Nachrichten aus der Innenstadt haben sich jetzt scheibchenweise auch hier verbreitet. Die Toten in den Cafés, die Geiselnahme in der Konzerthalle Bataclan, nicht mehr als acht Kilometer entfernt, der überstürzte Abgang des Staatspräsidenten von der Vip-Tribüne – die Leute haben ihre Handys in der Hand, sie lesen die Ticker, die Twittermeldungen, die Whatsapp-Nachrichten besorgter Freunde. Schreckliches ist passiert, daran gibt es jetzt keinen Zweifel mehr, als das Spiel um kurz vor elf vorüber ist.

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Kurz nach dem Schlusspfiff der Moment, an dem die Lage außer Kontrolle zu geraten droht. Über den Ostausgang des Stadions, hinter dem die Bomben hochgegangen sind, verlassen die Leute die Arena -und werden dann vom Stadionsprecher zurückbeordert. Sie rennen wieder hinein, ein paar stürzen, die Sanitäter bringen sich mit ihren Tragen in Stellung. Binnen weniger Augenblicke ist der gesamte Rasen mit Zuschauern gefüllt – eine Massenpanik scheint nicht fern in diesen gespenstischen Minuten am Freitag, dem Dreizehnten. „Bleiben sie ruhig, es gibt keinen Grund zur Panik“, sagt der Stadionsprecher und spielt Musik. Und tatsächlich: die Lage beruhigt sich wieder.

Die Organisatoren haben alles richtig gemacht

Man weiß nicht, was die Organisatoren des Spiels alles beraten, überlegt und besprochen haben – man weiß nur: sie haben alles richtig gemacht. Man muss sich das vorstellen: da sitzen 70 000 Leute in einem Stadion und davor gehen die Bomben hoch. Sie mussten Entscheidungen treffen, von denen sie nicht wissen konnten, ob sie richtig sind, Entscheidungen, die fatale Folgen haben könnten. Ein Spielabbruch mit der Gefahr, dass das große Chaos ausbricht? Einfach weiterspielen lassen und den Leuten das Gefühl geben, alles sei in Ordnung? Sie haben sich für Letzteres entschieden und Erfolg gehabt.

Und vor allem: sie konnten die Bomben nicht verhindern – aber sie es haben offenbar zumindest geschafft, dass sie vor und nicht im Stadion hochgegangen sind. Man mag sich nicht vorstellen, welch ein Massaker angerichtet worden wäre, hätten die Selbstmordattentäter Zugang erlangt. Viel spricht dafür, dass genau das ihr Ziel war.

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Es dauert nach dem Spiel lange, bis sich das Stadion leert und die Leute es wagen, den Rasen zu verlassen. Die deutsche Mannschaft wird bis zum nächsten Morgen bleiben und dann direkt zum Flughafen fahren. Die anderen gehen hinaus in diese grauenvolle Pariser Nacht zu gehen, von der in diesem Moment niemand weiß, ob das Schlimmste schon vorbei ist. Viele, daran gibt es keinen Zweifel, werden nie mehr ein Fußballstadion betreten.