Eine taiwanesische Agrar-Gewerkschaft demonstriert gegen hohen Flächen- und Wasserverbrauch der Industrie. Foto: imago//Wiktor Dabkowski

Taiwan ist der weltweit wichtigste Standort für die Produktion von Halbleitern. Aber nicht nur die geopolitische Situation rund um China bedroht die Industrie, sondern auch der Klimawandel. Das Wasser wird knapp. Und das führt zu neuen Verteilungskonflikten.

In Taiwan macht sich gerade eine seltsame Sorge breit: „Es wird wahrscheinlich weniger Taifune geben“, erklärte ein Nachrichtensprecher des Fernsehsenders Formosa TV eine Prognose für den Rest des Jahres. „Die Trockenperiode könnte sogar bis in den kommenden Frühling reichen.“ Und das heiße nichts Gutes. Wenn die starken Winde zwischen Mai und November normalerweise die Insel erreichen, kann es zwar schnell zu Straßenblockaden, Erdrutschen und anderen Gefahren kommen. Die Stürme hätte man in Taiwan trotzdem gern.

Seit drei Jahren hat kein Auge eines Taifuns mehr Taiwan erreicht. Was auch heißt: Die Niederschläge, die damit einhergehen, nehmen ab, sodass es seit Monaten an Wasser mangelt. Und das wiederum könnte noch für eine nationale Katastrophe sorgen. In Taiwan, einem wohlhabenden Industriestaat, führt Wassermangel zwar nicht gleich zu Hungersnöten. Aber existenziell bedrohlich könnte das Ganze trotzdem werden. Denn ohne genügend Wasser trocknet die hier bedeutendste Industrie aus: die Chipproduktion.

Die Weltwirtschaft ist auf Taiwan also angewiesen

Halbleiter, auch Mikrochips genannt, werden heutzutage für jedes anspruchsvollere Elektroprodukt benötigt – von Kühlschränken über Laptops und Smartphones bis zu Autos und Kampfflugzeugen. Und auf der 24-Millioneninsel Taiwan haben sich über die vergangenen Jahrzehnte mehrere Unternehmen auf die komplizierte Herstellung spezialisiert, für die bisweilen teure, große Fabriken notwendig sind: Taiwans Weltmarktanteil liegt bei 60 Prozent, bei den diffizilsten Chips bei 90 Prozent der globalen Fertigung. Die Weltwirtschaft ist auf Taiwan also angewiesen, und Taiwan liefert.

Bisher jedenfalls. Ungewiss ist aber, wie lange noch. Denn der Durst, den die riesigen Fabriken nach Wasser haben, lässt sich womöglich nicht ewig löschen. Einerseits benötigen die Fertigungsstätten, von denen laufend neue errichtet werden, tendenziell umso mehr Wasser, je anspruchsvoller die Chips werden. Andererseits sorgt der Klimawandel für neue Wetterrealitäten. Im Süden des Landes, wo viele Fabriken stehen, erreichten die Niederschläge zuletzt nur noch 40 Prozent ansonsten typischer Jahre – und damit die niedrigsten Werte der letzten drei Jahrzehnte.

Die globale Autoproduktion brach damals ein

Bis der Halbleiterindustrie das Wasser ausgeht, ist eine Frage der Zeit. Und wie groß das Krisenbewusstsein in Taiwan schon ist, lässt sich an Äußerungen diverser hoher Offizieller erkennen. So sagt Lai Chien-hsin, Generaldirektor der taiwanischen Wasserressourcenagentur: „Bereits im August letzten Jahres haben wir begonnen, Notfallpläne aufzustellen.“ Präsidentin Tsai Ing-wen versprach schon vor zwei Jahren, dass ihre Regierung Unternehmen, die unter Wassermangel leiden, unterstützen werde.

Die Weltwirtschaft freut sich über solche Versprechen, denn die letzte Chipkrise ist noch in schmerzlicher Erinnerung. Als im Jahr 2021 zur Pandemie auch noch eine Dürre ein Taiwan kam, riss die globale Wertschöpfungskette, Lieferungen von Elektroprodukte verzögerten sich um Wochen, teils gar um Monate. Die globale Autoproduktion brach damals um ein Viertel ein, in der EU beklagte ein Viertel der herstellenden Betriebe akuten Materialmangel. In Taiwan dagegen sprudelten die Gewinne, und es wurden Hunderte Milliarden Euro in neue Fabriken investiert.

Denn für die ostasiatische Insel geht es um mehr als sehr viel Geld. Die Halbleiter dienen für Taiwan auch als so etwas wie eine Existenzversicherung – gegenüber einem Angriff des großen Nachbarn. Das von Peking aus regierte Festlandchina reklamiert Taiwan als Teil seines eigenen Territoriums. Für den Fall einer Invasion haben die USA sowie andere liberal eingestellte Staaten zu verstehen gegeben, dass sie Taiwans verteidigen würden.

Dabei wirkt schon die Existenz der Halbleiterindustrie – mit ihrer starken Konzentration auf den Standort Taiwan – wie die beste Verteidigung. Als „Schutzschild aus Silizium“ nennen Politiker wie Akademikerinnen die Branche: Im Fall eines bewaffneten Konflikts würden die Halbleiterfabriken kaum reibungslos weiterlaufen.

„Der Klimawandel ist ein echtes Problem“

Nur ist das Kriegsszenario längst nicht mehr die einzige Bedrohung für die Branche und damit indirekt für ganz Taiwan. Der Klimawandel könnte die noch viel größere Herausforderung werden. Mikrochips werden in höchster Präzision hergestellt, wofür sie in Reinräumen je rund 100-mal einen Spülungsprozess durchlaufen. Hierfür ist sehr reine Flüssigkeit nötig, die sich maßgeblich aus Regenwasser speist. Aber die Reservoirs, in denen dies bisher aufgefangen wurde, sind längst nicht mehr so gut gefüllt wie früher.

So treffen die Chiphersteller nun selbst erste Vorkehrungen. Taiwan Semiconductor Manufacturing Corporation (TSMC), der weltweit größte Fertigungskonzern, hat erklärt, konkrete Sparmaßnahmen eingeleitet zu haben .

„Der Klimawandel ist ein echtes Problem, wir beobachten dramatische Schwankungen der Niederschläge von Jahr zu Jahr“, sagte Wu Ray-shyan, Hydrologieexperte und Vizepräsident der National Central University im nördlich gelegenen Taoyuan, im April gegenüber der Wirtschaftszeitung Nikkei. „Der Druck, den Taiwan in Sachen Wasser und Energie verspürt, ist heute viel höher als noch vor einigen Jahren.“ Ironischerweise mache der Erfolg der Halbleiterindustrie das Problem nur noch größer.