Hier im Lauchhau haben mutmaßlich viele SWSG-Mieter zu hohe Betriebskosten bezahlt. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Die städtische Wohnungstochter SWSG mischt in einer großen Wohnanlage Phosphate ins Trinkwasser. Das soll die Qualität verbessern – und wird den Mietern berechnet. Eine Betroffene ist dagegen vorgegangen.

Stuttgart - Die Frau aus dem Lauchhau ist aufgebracht. „Die wollen nur ihre maroden Wasserleitungen vor Korrosion schützen. Und wir sollen dafür bezahlen“, sagt sie. „Die“, das ist die Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG), der die Wohnanlage am Rand von Vaihingen gehört.

„Dort wird unseren Erkenntnissen nach seit 2008 das Trinkwasser mit Phosphaten vermischt“, sagt Ursel Beck von den SWSG-Mieterinitiativen. Das diene ausschließlich dem Rostschutz der alten Rohre, sei damit eine Instandhaltungsmaßnahme und dürfe deshalb nicht über die Betriebskosten abgerechnet werden, wie die SWSG das tue. Die argumentiere, durch das Mittel auch die Wasserqualität zu verbessern und damit technische Geräte der Mieter vor Kalk zu schützen. Betroffen seien Hunderte Bewohner, die in den vergangenen Jahren an die 100 000 Euro zu viel bezahlt hätten.

Die Mieterin, die ohnehin im Clinch mit der SWSG liegt, ist juristisch dagegen vorgegangen – und hat jetzt vom Amtsgericht recht bekommen. Um 62 Euro pro Jahr geht es bei ihr. Eine vom Gericht bestellte Gutachterin kam zu dem eindeutigen Urteil: Das reine Bodenseewasser, das im Lauchhau in die Häuser ströme, „ist von sehr hoher Qualität. Es bedarf daher keiner Enthärtung. Die Qualität des Wassers und die Wohnqualität werden durch die Zugabe des eingesetzten Dosiermittels nicht verbessert. Es dient rein dem Korrosionsschutz der Rohre“, heißt es in dem Gutachten.

Mieterverein fordert Konsequenzen

Beim Stuttgarter Mieterverein, der die Klage unterstützt hat, ist man nicht verwundert über das Urteil. „Die Rechtslage war eigentlich klar, auch durch ähnliche Entscheidungen, die es vorher schon gegeben hat“, sagt der Vorsitzende Rolf Gaßmann. Noch sei das Urteil nicht rechtskräftig. Habe es aber Bestand, fordere man die SWSG schon jetzt dazu auf, nicht nur die Klägerin zu bedenken, sondern allen betroffenen Mietern die zu viel bezahlte Summe zurückzuerstatten. „Wir denken, dieses Urteil wird bei der SWSG noch größere Wellen schlagen“, sagt Gaßmann.

Wie groß, darüber gehen die Meinungen auseinander. „Die SWSG betreibt nur in der Wohnanlage Stiftswaldstraße/Lauchhau Dosiermittelanlagen zur Verbesserung der Wasserqualität. Diese werden dank der Modernisierungen in den kommenden Jahren Schritt für Schritt abgebaut. Aufgrund der neuen Wasserrohre werden sie nicht mehr gebraucht“, betont SWSG-Sprecher Peter Schwab. 371 Wohnungen gehörten zur Anlage, es seien aber nicht alle betroffen. Die Mieterinitiative geht allerdings davon aus, dass das Verfahren auch in anderen Wohnanlagen der SWSG angewendet wird, sagt Beck – und fordert, allen Betroffenen die Kosten für die vergangenen zehn Jahre zurückzuerstatten. Zudem müsse die SWSG alte Rohre austauschen. Im Lauchhau soll dies jetzt geschehen.

Das Urteil des Amtsgerichts wird die städtische Immobilientochter wohl nicht akzeptieren. „Wir bereiten eine Berufung vor“, sagt Schwab. Dabei werde es weiterhin um die Frage gehen, ob das eingesetzte Mittel nicht nur dem Korrosionsschutz diene, sondern auch für die Wasserentkalkung und damit für die Mieter nützlich sei. Sei dies der Fall, könne man die Kosten umlegen. „Nach unserer Ansicht verringert das Mittel den Kalkgehalt. Dies war einer der wesentlichen Gründe, warum die SWSG es einsetzt“, so der Sprecher. Man lasse derzeit die Aussagen der Gutachterin durch ein weiteres Sachverständigenbüro überprüfen. „Sollten die Experten zu einem anderen Ergebnis kommen, gehen wir damit zum Berufungsgericht.“ In der jüngsten Betriebskostenabrechnung, die wenige Tage vor der Entscheidung des Amtsgerichts zugestellt worden ist, findet sich der Posten jedenfalls erneut.

Gesundheitliche Bedenken weist die SWSG zurück

Die Mieterinitiativen machen sich um einen weiteren Umstand Sorgen. Sie fragen sich, ob der dauerhafte Phosphatzusatz negative Folgen für die Gesundheit haben könnte. Der Klägerin liegt eine Antwort des Umweltbundesamts vor. Darin heißt es: „Aus unserer Sicht ist die Phosphatdosierung durchaus mit Risiken verbunden.“ Bei einer „unsachgemäßen Dosierung oder Lagerung der Chemikalien kann dies zu einer Verkeimung des Trinkwassers führen“.

Solche Bedenken weist die SWSG zurück. „Selbstverständlich setzen wir für den ordnungsgemäßen Betrieb der Anlage speziell geschultes Personal ein. Für die Mieter ist das Trinkwasser im Lauchhau unbedenklich, das bestätigen unabhängige Gutachter der SWSG regelmäßig“, so Schwab.