Ein bundesweit anerkannter Fachmann für Jugendkriminalität: Willi Pietsch verließ 2014 die Polizei. Foto: Achim Zweygarth

Böse Jugendbanden und rabiate Fußballrowdys waren seine Welt: Jahrzehnte lang kämpfte der einstige Stuttgarter Dezernatschef Willi Pietsch gegen Jugendkriminalität. Einen anderen Kampf hat er verloren.

Stuttgart - Er gehörte zu Deutschlands ersten Hooligan-Polizisten, war 1990 bei der Fußball-WM in Italien als Fan-Polizist im Einsatz, rückte als Dezernatschef Jugendbanden auf die Pelle, baute das bundesweit erste Haus des Jugendrechts auf, arbeitete nach seiner Pensionierung 2014 als Berater für die Opferorganisation Weißer Ring. Willi Pietsch sprach die Sprache der Straße, markant seine brummige Bassstimme, mit der er bundesweit als Experte für Jugendkriminalität gehört wurde. Nun aber ist seine Stimme verstummt. Der ungewöhnliche Ex-Dezernatschef ist einen Tag vor seinem 66. Geburtstag gestorben.

Pietsch gehörte nie zur Garde stromlinienförmiger Polizeibeamter. Er blieb seinem Metier ein Berufsleben lang treu. Unerschrocken trat er gegen Rocker und Fußballrowdys auf, präsentierte sich in den 90ern mit Baseballschläger und Wurfsternen, die seine Beamten Banden abgenommen hatten. Er hatte auch kein Problem damit, in einem Dokumentarfilm über die Hells Angels aufzutreten. „Das ist keine Verbrüderung“, sagte er dazu, „unser Verhältnis beruht auf Akzeptanz und Rollenklarheit.“

„Um seine Kinder kümmern“

Pietsch beklagte früh, dass sich der Typus des Gewalttäters in der Fußballszene gewandelt habe. Auch die Brutalisierung unter Jugendlichen habe deutlich zugenommen, mahnte er immer wieder: „Viele brauchen keinen Grund, um zuzuschlagen.“ Pietsch, im Stuttgarter Westen aufgewachsen, lief als Jugendlicher keiner Schlägerei davon. Nun erwies sich eine schwere Krankheit als stärker. Zurück bleibt sein Rat: „Damit Erziehung gelingt, muss man sich um seine Kinder kümmern“, so sein Rezept, „Eltern müssen nachvollziehbar und konsequent sein.“