Das Denkmal für Gottlieb Christian Eberhard Etzel an der Neuen Weinsteige Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Auf Spurensuche: In unserer Sommerserie „Stuttgarter Entdeckungen“ wollen wir mit Hilfe unserer Leser Geschichten aufspüren, die in den vielen Winkeln der Stadt verborgen sind. Wir schauen auf Orte, Fassaden, Kulturdenkmäler, die sich nicht auf den ersten Blick erklären. Diesmal: das Etzel-Denkmal an der Neuen Weinsteige.

Stuttgart - Die Aussicht ist famos. Und eigentlich wäre die kleine grüne Bucht an der Neuen Weinsteige die richtige Ruhestätte für Gottlieb Christian Eberhard Etzel (1784 bis 1840). Doch da ist in Deutschland das Bestattungsrecht vor. So ruhen seine Gebeine unten im Kessel, auf dem Hoppenlaufriedhof, sein Denkmal allerdings schaut herab auf die Stadt. Von jener Straße, die ihn zehn Jahre lang beschäftigte, ihn krank machte und letztlich sein Leben kostete. „Dem Trefflichen Geweiht Von Seinen Fachgenossen und Verehrern 1842.“ Das steht auf der Seite, die in den Kessel blickt.

Zwei Jahre nach Etzels Tod weihte man das Denkmal ein. Damals, 1842, zogen noch Pferde und Ochsen die Karren hinauf nach Degerloch. An ein Auto wagte man noch nicht einmal zu denken. Zwar fasst sie heutzutage den Verkehr zu manchen Zeiten mehr schlecht als recht, und doch ist die Neue Weinsteige auch 184 Jahre nach der Fertigstellung immer noch die Hauptverkehrsroute gen Süden. Dass zeigt, welch Meisterwerk Etzel mit seiner Panoramaroute gelungen ist, die sich wie selbstverständlich an den Hang schmiegt.

Doch wer war eigentlich dieser Gottlieb Christian Eberhard Etzel? Ihm blieb wohl gar nichts anderes übrig, als Straßen und Brücken zu bauen. Sein Opa Johann Leonhard Etzel war herzöglich-württembergischer Hofwerkmeister. Sein Onkel Johann Christian Adam Etzel baute unter anderem die Holzbrücke über den Neckar bei Plochingen, mit 70 Meter Spannweite damals eine Sensation. Sein Vater Johann Eberhard Etzel war auch Brückenbauer, allerdings benutzte er dazu Stein. Um die beiden Brüder auseinanderzuhalten, nannte der Volksmund sie den „hölzernen Etzel“ und den „steinernen Etzel“.

Anfang als Bühnentechniker im Opernhaus

Eberhard wurde am 15. Dezember 1784 in Stuttgart als Sohn des „steinernen Etzel“ geboren. Doch der Vater starb früh, also lernte Eberhard sein Handwerk bei seinem Onkel – beim „Hölzernen“. Dabei tat er sich auch anderweitig um. So versuchte er sich auch im Opernhaus als Bühnentechniker. Eines Tages arbeitete er in der Deckenkulisse, rutschte aus und bekam im Fall ein Seil zu fassen.

Etzel war kaltblütig und unerschrocken. Und er fürchtete sich auch vor seinem Dienstherrn nicht. Etzel war mit 23 Jahren bereits herzoglicher Weginspektor geworden, kurz darauf wurde er Oberweginspektor, baute die Staatsstraße von Münsingen nach Ehingen an der Donau, eine Holzbrücke in Heilbronn über den Neckar. Er war tüchtig, aber als Schwabe auch ein rechter Dickkopf. Er rasselte mit König Friedrich zusammen und wurde entlassen.

Als König Wilhelm I. 1816 den Thron bestieg, brachen neue Zeiten an. Der junge König wollte sein Land aus der Armut führen, den Agrarstaat umbauen, Handel und Industrie fördern. Er stellte Etzel wieder ein, der zum „Reformator des gesamten Straßen- und Brückenbauwesens wurde“. 1822 begann er mit den Plänen für eine Straße aus dem Talkessel hinaus gen Süden. Stuttgart hatte damals 28 000 Einwohner, war eine aufstrebende Stadt, der Verkehr nach Degerloch hinauf und weiter nach Tübingen und Richtung Bodensee quälte sich aber noch über die Alte Weinsteige. Eine mittelalterliche Steige, die 1350 erstmals in Urkunden erwähnt wurde.

Ursprünglich hieß sie Wilhelmstraße

Man musste 16 Pferde vorspannen, um die 200 Höhenmeter zu überwinden. Etzel plante und schuf eine breite Panoramastraße, die zunächst Wilhelmstraße hieß, 1846 aber umgetauft wurde in Neue Weinsteige. 76 000 Gulden kostete der Bau. Eine ungeheuere Summe, die das Staatssäckel arg belastete. Deshalb erhob man bis 1922 eine Maut. Sie hieß damals noch nicht so, sondern Zoll- und Pflastergeld.

Gleichzeitig mit der Neuen Weinsteige baute Etzel auch noch die Donaubrücke in Ulm. Er schonte sich nicht, erkrankte schwer und erholte sich bis zu seinem Tod 1840 nicht mehr. Dennoch eilte er unermüdlich von Baustelle zu Baustelle und übergab schließlich 1838 die Wilhelmsbrücke in Bad Cannstatt. Sie war 133 Meter lang, bestand aus fünf Steinbögen und hatte fünf Plattformen, auf denen man verweilen konnte. 1929 wurde sie durch eine Stahlbrücke ersetzt.

Es verwundert wenig, dass auch Etzels Sohn Baumeister wurde. Und zwar ein noch berühmterer als der Vater. Er hieß Carl Etzel oder genauer Carl von Etzel, denn Wilhelm I. hatte den Vater ob seiner Verdienste in den Adelsstand erhoben. Filius Carl brachte die Eisenbahn nach Württemberg, er baute den Tunnel unter dem Rosensteinschloss, den Bahnhof an der Bolzstraße, das Enztalviadukt bei Bietigheim, ebenso den Albaufstieg an der Geislinger Steige. Schließlich plante er für die Habsburger die Brennerbahn. Vor der Fertigstellung starb er an einem Schlaganfall. An ihn erinnert ein Denkmal auf dem Brenner. Eines mit famoser Aussicht.

Hintergrund

Das Denkmal zu Ehren von Gottlieb Christian Eberhard Etzel findet man auf einer kleinen Anlage auf der Talseite der Neuen Weinsteige.

Es wurde 1842 von Bildhauer Johann Wilhelm Braun nach einem Entwurf von Architekt Christian von Leins aus Stein errichtet.

Es ist dies nicht die einzige Ehrung, die Etzel in seiner Heimatstadt zuteilwird. Am Bopser im Stuttgarter Süden hat man eine Straße nach ihm benannt.

Erschienene Beiträge der Serie Stuttgarter Entdeckungen findet man im Internet unter www.stn.de/entdeckungen.