Im Prozess wegen des Winterbacher Brandanschlags sind 12 Leute angeklagt. Foto: dpa

Im Prozess wegen des Brandanschlags von Winterbach sind 12 Leute angeklagt. Eine Verteidigerin war Mitglied der NPD, ein Anwalt war Sänger von „Noie Werte“.

Diesmal gab es keine Überraschung im so genannten Winterbach-2-Prozess vor dem Stuttgarter Landgericht. Beim Auftakt in der vergangenen Woche hatte zur Überraschung aller einer der zwölf Angeklagten ein Teilgeständnis abgelegt. Der 24-Jährige hatte eingeräumt, er habe einen der Migranten niedergeschlagen. In dem Prozess müssen sich elf Männer und eine Frau zwischen 18 und 37 Jahren unter anderem wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung, Anstiftung zu einer Straftat oder wegen Falschaussage verantworten. Sie werden dem rechtsextremen Spektrum zugerechnet und sollen in der Nacht zum 10. April 2011 an einer Hetzjagd auf eine kleine Gruppe junger türkisch- und italienischstämmiger Männer in Winterbach beteiligt gewesen sein. Dabei sollen sie auch eine Gartenhütte angezündet haben, in die sich die Männer vor ihren Angreifern geflüchtet hatten. Die Opfer leiden bis heute unter den Folgen des brutalen Überfalls.

Aus lauter Langeweile rechtsextrem

In einem ersten Prozess waren im März zwei Männer zu Haftstrafen von jeweils zwei Jahren und fünf Monaten verurteilt worden, doch konnte nicht geklärt werden, wer die Hütte in Brand gesteckt hatte. Im Prozess wurde gemauert und gelogen. Einige der Zeugen von damals sitzen jetzt auf der Anklagebank, acht von ihnen sogar in Untersuchungshaft. Bislang wurden sie lediglich zu ihren Lebensläufen befragt. Zwei Erzählmuster werden dabei erkennbar. So gibt es die Fraktion der Reuigen, bei denen der Exzess am Engelberg zu einem vorgeblichen oder tatsächlichen Umdenken geführt hat. Und es gibt diejenigen, an denen die Ereignisse abgeperlt zu sein scheinen. Mehrere der jungen Männer gaben an, dass sie sich nun ernsthaft um ihre berufliche Zukunft bemühten und ihren vormals übermäßigen Alkoholkonsum eingedämmt hätten. „Hört sich vielleicht blöd an: Aber ich werde langsam erwachsen“, erklärte beispielsweise ein 28-Jähriger, der wegen Anstiftung zu einer Straftat angeklagt ist. Ein 18-Jähriger, dem Körperverletzung vorgeworfen wird, berichtete, er wolle „wegkommen von der ganzen rechten Szene“. Bevor er in Untersuchungshaft gekommen sei, habe er vorgehabt, in die Stadt zu ziehen. Er erzählte, wie er als 14-Jähriger zur rechten Szene gestoßen war: Er langweilte sich in der ländlichen Gegend, und es gab auch keinen Vater, der etwas Aufregendes mit ihm unternahm. Bei den Rechten fand er, was er vermisste – Abwechslung und männliche Vorbilder. Auch ein 25-jähriger Maurer bekundete seinen Gesinnungswandel. Er war lange Zeit NPD-Mitglied gewesen und in der Vergangenheit strafrechtlich in Erscheinung getreten, weil er im Suff „Sieg heil!“ gebrüllt und den Arm zum „Hitlergruß“ erhoben hatte.

Von „patriotischer“ Gesinnung

Andere gaben sich unbeirrbar. Wie es denn inzwischen mit seiner politischen Einstellung stehe, wollte die Vorsitzende Richterin Eva-Maria Keck von einem 26-Jährigen wissen. „Die würde ich als patriotisch bezeichnen“, entgegnete der einschlägig vorbestrafte junge Mann mit fester Stimme. Er ist unter anderem vorbestraft, weil er während einer Demonstration von Neonazis die Scheiben eines türkischen Lokals eingeworfen hatte. Die beiden schillernsten Figuren in diesem Prozess indes hüllten sich komplett in Schweigen. Zum einen ist dies der 37-Jährige, dem das Grundstück gehörte, auf dem die fatale Feier in Winterbach stattgefunden hatte, zum anderen ist das die einzige Frau unter den Angeklagten, eine 25-jährige Frau aus Schorndorf, bei der einige der Festbesucher übernachtet hatten.

Anwälte aus der rechten Szene

Für ihre Verteidigung hat sie eine Szene-Anwältin ausgewählt, Nicole Schneiders. Im Verfahren gegen Beate Zschäpe vertritt Schneiders den früheren NPD-Funktionär Ralf Wohlleben, dem Beihilfe zum sechsfachen Mord vorgeworfen wird. Er soll die Mitglieder Nazi-Terrorzelle NSU mit der Waffe und Munition versorgt haben. Mit Wohlleben verbindet die Juristin zudem eine gemeinsame Vergangenheit im Vorstand des Kreisverbands der NPD in Jena.

Schneiders ist aber nicht die einzige Anwältin bei Winterbach 2 mit probater Insiderkenntnis: Im Internet firmiert sie gemeinsam mit dem Rechtsanwalt Steffen Hammer unter dem Namen Kanzlei H3 unter anderem mit Sitz in Stuttgart. Steffen Hammer war der Kopf und Sänger der rechtsextremistischen Band „Noie Werte”, die sich 2010 nach 23 Jahren auflöste. Der Straf- und Familienrechtler trat ferner solo als „nationaler Liedermacher“ auf.