Dave Gahan (links), Frontman von Depeche Mode, im April 1984 mit Hans Derer, dem früheren PR-Mann von Intercord. Rechts ist die damalige Praktikantin der Stuttgarter Plattenfirma zu sehen. Foto: /Didi Zill

Vor genau 40 Jahren gelang Depeche Mode mit „People are People“ ihre erste und einzige Nummer eins in Deutschland, lanciert von der Stuttgarter Plattenfirma Intercord. Der damalige PR-Mann Hans Derer erinnert sich – auch an das Konzert der Briten im Oz.

Der Musikmanager Hans Derer, CEO der Media Group GmbH in Winnenden, könnte heute um 50 000 Euro reicher sein. Dieses stolze Summe bot ihm vor einiger Zeit ein Fan von Depeche Mode für eine ganz besondere Trophäe an. Für „People are People“, die Nummer eins in der 18. Kalenderwoche von 1984, hatte der damals noch um 40 Jahre jüngere Frontmann Dave Gahan in der ARD-Sendung „Formel 1“ den Award in einem Münchner Fernsehstudio bekommen – und ihn gleich an den „Hansi“ weitergeschenkt, wie man den damaligen PR-Mann der Stuttgarter Plattenfirma Intercord nannte, der ebenfalls noch ein um 40 Jahre jüngerer Spund war.

Denn in Stuttgart wurden maßgeblich die Fäden gezogen, um Depeche Mode ganz nach oben zu bringen. Das Foto nach der Preisverleihung ist geblieben – die Trophäe selbst kam abhanden. „Bei einem Umzug wurde mir der Award gestohlen“, sagt Hans Derer und ärgert sich noch immer darüber. Zu Geld hätte er die Auszeichnung aber gar nicht gemacht. Das Angebot mit den 50 000 Euro hätte er ausgeschlagen, wie er betont – und diese ihm sehr wertvolle Erinnerung lieber selbst behalten.

Von großen Plattenfirmen gab es nur Absagen

Genau vor 40 Jahren erreichte „People are People“ die Spitze der deutschen Charts, weshalb es dem „Hansi“ nun beim Blick in den Kalender ganz sentimental zumute wird: „Wir befinden uns in der 18. Kalenderwoche! Ach, war das irre in der 18. Woche des Jahres 1984!“

Wenn Derer mit den Depeche-Mode-Jungs unterwegs war, wurde er selbst wie ein Popstar bejubelt. „Bei der Verleihung des Awards in München standen 20 Fotografen vor uns“, erzählt er. Für unsere Redaktion hat er das alte Foto herausgekramt, auf dem auch die damalige Praktikantin von Intercord zu sehen ist.

Von großen Plattenfirmen hatte die britische Synthpop-Band Ende der 1970er Jahre nur Absagen erhalten. Über das kleine Musiklabel Mute Records in London kam Depeche Mode für den deutschsprachigen Markt an Intercord nach Stuttgart. Der Sitz dieser Plattenfirma mit 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die eigentlich auf Liedermacher spezialisiert war, befand sich in Sillenbuch, wo fortan die Musiker der britischen Band öfter zu sehen waren. Hans Derer kümmerte sich um die Briten. „Mein Englisch war nicht schlecht, und ich war Musiker“, erzählt er, „Depeche Mode war für uns ein ganz großes Ding.“

Seine Finger im Spiel hatte der Intercord-Mann auch, als Depeche Mode am 7. Dezember 1982 in der Stuttgarter Discothek Oz ein bis heute verklärtes Konzert gab. Die Karte kostete 15 Mark (inklusive 6,5 Prozent Mehrwertsteuer). „Hansi“ erinnert sich daran, wie Dave Gahan das F-Wort gerufen habe, weil er das Publikum am Anfang lasch fand. „Die sind erst später abgegangen“, erzählt der Musikmanager.

Die Zuhörer haben’s völlig anders in Erinnerung – im Geschichtsprojekt „Stuttgart-Album“ bejubeln sie das Oz-Konzert als „Wahnsinn“ und „Hammer“. Rafael schreibt: „Die waren ja zu viert auf der Bühne. Aber ich habe nur drei gesehen, da einer hinter der Säule stand. Der Laden war gerammelt voll. Deswegen stand ich immer auf derselben Stelle. Erst als sie von der Bühne sind, hab’ ich bemerkt, dass einer mehr gespielt hat.“

Börni war damals 13 Jahre alt und durfte nicht rein – deshalb stand er vor dem Eingang fürs besondere Feeling. Und Holger fand das Konzert „klasse, weil sie das Album ,Speak & Spell‘ praktisch zweimal gespielt haben.“ So groß war das Repertoire noch nicht.

Gigantisch war schon damals der Truck, der die Arbeitsmittel der Band brachte. Mit einem 40 Tonner sind die Briten vors Oz gerollt – der Lastwagen war fast größer als der gesamte Club. So ein Spektakel hat die dortige Fußgängerzone seit dem wohl nicht mehr erlebt. Für den Sänger David musste Oz-Mitarbeiter Zeljko Sajko einen speziellen Fisch besorgen. Neben dem DJ-Pult haben dann alle vier für ihn die Single „Just can’t get enough“ unterschrieben.

Veranstalter Michael Russ stand im Tor

Unvergessen bei den Leuten von Intercord sind die Fußballspiele vor Konzerten: Martin Gore und der im Mai 2022 verstorbene Andrew Fletcher von Depeche Mode kickten im Innenraum der Halle, während die Roadies die Bühne aufbauten. Konzertveranstalter Michael Russ stand im Tor.

So geschehen im Jahr 1983 in der Ausstellungshalle Sindelfingen. Beim Konzert entdeckte der Zeitungskritiker dann eine „neue Mode“ im Publikum: „Wie bei bestimmten Hunderassen hängen die Haare lang wallend vor den Augen.“

Im Jahr 2000 wurde der Firmensitz von Intercord in Stuttgart geschlossen

Hans Derer brachte mit „Lemon Tree“ von Fools Garden noch einen weiteren Hit zu Intercord. 1994, auf dem Höhepunkt des Firmenerfolges, verkaufte die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck als Eigentümerin das Plattenlabel mit Sitz in Sillenbuch, um zusätzliches Kapital für Investitionen in Privatfernsehen zu generieren. Intercord ging an die EMI Group, die im Jahr 2000 den Firmensitz in Stuttgart geschlossen und das Label in der Kölner Dependance eingegliedert hat.