Katja Kleinveldt ist Teamchefin der deutschen Gymnastinnen. Foto: Patricia Sigerist

Im Interview erzählt die deutsche Cheftrainerin Katja Kleinveldt, dass sie sich auf die Wettkämpfe bei den Olympischen Spielen freut. Sie ist mit den Gymnastinnen aus dem Bundesstützpunkt in Schmiden in Rio.

- Katja Kleinveldt ist seit Februar des vergangenen Jahres Cheftrainerin und Teamchefin für die Nationalmannschaft der Rhythmischen Sportgymnastik (RSG) beim Deutschen Turner-Bund (DTB). Derzeit ist Katja Kleinveldt in Rio de Janeiro und unterstützt und begleitet die Einzelgymnastin Jana Berezko-Marggrander vom TSV Schmiden und die ebenfalls am Stützpunkt in Schmiden beheimatete Nationalgruppe mit Kapitänin Anastasija Khmelnytska, Daniela Potapova, Julia Stavickaja, Natalie Hermann und Sina Tkaltschewitsch sowie die mitgereiste Ersatzgymnastin Nathalie Köhn.
Erzählen Sie uns Daheimgebliebenen ein bisschen was über die Olympischen Spiele. Wie ist die Atmosphäre, wie ist die Stadt und wie sind die Menschen?
Es herrscht schon typisches olympisches Flair. Die Kleinigkeiten sind allerdings nicht immer so gut organisiert. Viele haben sich über die Transportmöglichkeiten beschwert, aber da hatte ich bisher noch keinerlei Schwierigkeiten. Die Freiwilligen, also die Volunteers, sind außerdem sehr freundlich und nett, sprechen allerdings nicht unbedingt Englisch.
Sie sind nah dran an unseren Gymnastinnen in Rio und kennen deren Konkurrentinnen. Wie schätzen Sie die Stimmung in der Gruppe und deren Chancen am Wochenende ein?
Die Mädchen sind alle motiviert. Sie wollen bei Olympia ihr Bestes zeigen. Wenn es gut läuft, dann ist für sie ein Einzug ins Finale der acht besten Teams von insgesamt 14, die an den Start gehen, möglich – und verglichen mit den Spielen 2004 in Athen und Olympia vier Jahre später in Peking, als wir gar nicht qualifiziert waren, ist das eine Menge.
Wie sind Lage und Stimmung bei der einzigen deutschen und Schmidener Einzelstarterin Jana Berezko-Marggrander?
Bei ihr ist, soweit ich es von außen beurteilen kann, alles gut! Jana hat sich wieder sehr beeindruckend und pünktlich zu den Olympischen Spielen in Form gebracht. Seitdem wir in Rio sind, habe ich von ihr nichts Negatives gehört, es scheint also alles nach Plan zu laufen.
Die Verletzung von Julia Stavickaja im Training (wir haben berichtet) war sicherlich ein kleiner Schock. Ist sie trotz eines gerissenen Außenbands und des angerissenen Syndesmosebands am Samstag voll einsatzfähig in der Gruppe?
Zum Glück war die Verletzung nicht so dolle. Es sah zunächst in der MRT (Magnetresonanztomografie, Anmerkung der Redaktion) schlimmer aus. Der Knöchel ist nicht angeschwollen, Julia konnte nach drei Tagen schon wieder voll trainieren und hat auch jetzt überhaupt keine Beschwerden.
Wie sind die Trainingsmöglichkeiten bei Olympia, was berichten die Mädchen?
Für die Gruppe war das Training in den ersten beiden Tagen wohl nicht so überragend. Die Mädchen konnten jeweils wohl nur eineinhalb Stunden in die Halle rein, das ist deutlich weniger, als sie sonst trainieren. Außerdem hatten die Mädchen da auch noch einen ziemlichen Jetlag und waren müde. Die Stimmung in der Turnmannschaft insgesamt ist aber natürlich sensationell gut. Die Bronzemedaille für Sophie Scheder am Stufenbarren, der vierte Rang von Elisabeth Seitz und natürlich die Goldmedaille von Fabian Hambüchen am Reck sorgen für positive Motivation. Das erinnert sehr an die Testgames an gleicher Stätte im April, als die Turner auch alle so erfolgreich waren und die Gymnastinnen dann am Ende auf der Welle mitgeschwommen sind und gute Leistungen abgeliefert haben. Ich hoffe, dass sich das bei Olympia fortsetzt und die Mädchen sich wieder mitreißen lassen.
Bleibt denn während der Olympischen Spiele Zeit für etwas anderes. Zeit, sich andere Wettbewerbe anzuschauen oder andere Sportler zu treffen? Oder ist die Konzentration auf den eigenen Sport zu groß dafür?
Da unsere Wettkämpfe die letzten Wettkämpfe im olympischen Programm sind, ist es schwer, Party zu machen. Da geht es den Sportlern, die schon mit ihren Wettbewerben durch sind, natürlich um einiges besser. Allerdings haben sich die Mädchen an ihrem freien Tag Turnen und Leichtathletik angeschaut.
Allerorten wird in Rio über mangelnden Zuschauerzuspruch geklagt, außer es sind brasilianische Starter im Wettbewerb dabei. Was bekommen Sie davon mit, und wie schätzen Sie die Sportgymnastik als Publikumsmagnet am Abschlusswochenende ein?
Die Turnhalle ist bis jetzt immer gut voll, und ich gehe davon aus dass sie das auch bei unseren Wettkämpfen sein wird. Anders ist es bei einigen anderen Sportarten, die ja vor fast leeren Rängen agieren. Ich war allerdings am Dienstag beim Badminton, da war super gute Stimmung, obwohl die Tribünen nicht gefüllt waren. Und wir haben versucht, Karten fürs Beachvolleyball zu bekommen, das war völlig unmöglich, weil die Veranstaltungen komplett ausverkauft sind.
Wie sehen Sie allgemein den Stellenwert der Rhythmischen Sportgymnastik bei Olympischen Spielen?
Das weiß ich nicht, da bin ich einfach zu sehr im Innern unserer Materie, als das ich das wirklich beurteilen könnte.
Wie und wo werden die Gymnastinnen die letzten Stunden vor ihren olympischen Auftritten verbringen?
Da die Mädchen ja nach der Ortszeit von Rio morgens ran müssen, natürlich im Bett (lächelt). Sie bleiben dann bis zur Abfahrt in die Rio Olympic Arena im Olympischen Dorf. Am Dienstag hatten unsere Gymnastinnen einen trainingsfreien Tag und sind nach Rio hineingefahren. Zum Glück hatte der DTB für uns schon bei den Testspielen in diesem Jahr das komplette Sightseeing-Programm organisiert, also sind der Zuckerhut und die Christus-Statue bereits abgehakt.
Welche Erwartungen haben Sie an die deutschen Sportgymnastik-Vertreterinnen?
Unser Minimalziel für die Nationalgruppe ist ein zehnter Platz im Mehrkampf, wie wir ihn auch schon bei den Spielen in London 2012 geholt haben. Jana Berezko-Marggrander peilt den 15. Platz im Mehrkampf an. Im Einzel kommen zehn Gymnastinnen in die Gerätefinals. Das wird für sie schwer, aber auch das ist nicht gänzlich unmöglich.