Weniger im Geldbeutel? Fast die Hälfte aller Deutschen hat davor Angst. Foto: dpa

Fast jeder zweite Deutsche sorgt sich um seinen Lebensstandard. Paderborner Forscher wollten wissen, ob dies ein Grund für den Stimmenzuwachs bei rechtspopulistischen Parteien ist.

Berlin - Fast jeder zweite Deutsche befürchtet, seinen derzeitigen Lebensstandard nicht dauerhaft halten zu können. Nach einer am Freitag veröffentlichten Studie der Universität Paderborn äußerten knapp 47 Prozent diese Befürchtung. Abstiegsängste reichen demnach bis weit in die Mittelschicht hinein und betreffen auch Menschen mit einem relativ hohen Nettoeinkommen.

Am stärksten sind die Befürchtungen allerdings der Studie zufolge bei Menschen mit geringem Einkommen und solchen mit Sorgen um ihren Arbeitsplatz. Doch auch viele Beschäftigte, die ihren Job für sicher halten, sorgen sich um ihren Lebensstandard oder die Alterssicherung und empfinden zunehmenden Druck und Kontrolle bei der Arbeit als belastend.

Ursache für den Stimmzuwachs bei rechtspopulistischen Parteien?

Die Paderborner Forscher stützen sich auf eine im Januar 2017 erfolgte Befragung des Meinungsforschungsinstituts Policy Matters. Die Studie wurde von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung gefördert und veröffentlicht. Angestrebt wurden dabei auch genauere Erkenntnisse über die Hintergründe des starken Stimmenzuwachses für die rechtspopulistische AfD, die den Forschern zufolge von der Verunsicherung in der Bevölkerung profitiert. Befragt wurden 4892 Bürger ab 18 Jahren.

Besonders ausgeprägt sind der Studie zufolge neben den Ängsten um den Lebensstandard auch Sorgen hinsichtlich der Alterssicherung. Nur 25 Prozent äußerten dagegen Sorgen um den Arbeitsplatz, allerdings in Ostdeutschland etwas mehr Menschen als im Westen. Von denjenigen, die über ein geringes Einkommen verfügen und sich am unteren Rand der Gesellschaft verorten, sorgen sich 90 Prozent um ihre finanzielle Situation. Solche Ängste nehmen mit höherem sozialen Status ab, sind aber bis in die Mittelschicht hinein verbreitet.

Auch Top-Verdiener sorgen sich um ihren Lebensstandard

Doch auch 38 Prozent der Top-Verdiener sorgen sich um ihren Lebensstandard, um ihre finanzielle Lage sogar 47 Prozent. Die Werte sind dabei höher als in der oberen Mittelschicht. Bei Wohlhabenderen spielen als Gründe allerdings Ängste wegen wachsenden Drucks am Arbeitsplatz und zunehmender Arbeitsverdichtung eine stärkere Rolle als bei Einkommensschwachen.

Besonders in mittleren Schichten sorgen sich viele Menschen (mehr als 50 Prozent) wegen Auswirkungen der zunehmenden Digitalisierung. Ausgeprägt ist dabei die Befürchtung, dadurch könnten sich Kontrolle und Überwachung am Arbeitsplatz verstärken.

„Abstiegsängste speisen sich auch aus dem Gefühl, den gesellschaftlichen Veränderungen, die Digitalisierung oder Globalisierung mit sich bringen, ausgeliefert zu sein“, erklärte dazu die Leitautorin der Analyse, die Soziologin Bettina Kohlrausch. Dabei sei das Gefühl, „die Kontrolle über die Gestaltung des eigenen Lebens verloren zu haben“, weitgehend unabhängig von der Einkommenssituation vorhanden. Besonders stark sei es aber in der Mittelschicht. Parteien wie die AfD machten sich dann dieses „eher diffuse Gefühl einer allgemeinen sozialen Verunsicherung“ zunutze.