Rund 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche wachsen in Deutschland in Armut auf Foto: picture alliance /dpa/Marcel Kusch

Nicht nur die Bildungschancen, sondern auch die Gesundheit von Kindern werden wesentlich vom Elternhaus geprägt – mit lebenslangen Folgen für deren Wohlbefindenden. Einer neuen Studie zufolge gibt es einen engen Zusammenhang zwischen der Gesundheit im Erwachsenenalter und dem Bildungsabschluss der Eltern.

Das Bildungsniveau von Eltern hat einer Untersuchung zufolge einen lebenslangen Einfluss auf die Gesundheit ihrer Kinder. Der Nachwuchs von Eltern ohne Abitur sei im Vergleich zu Kindern aus bildungsnahen Familien deutlich häufiger übergewichtig, teilte das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung am Dienstag (7. November) in Wiesbaden mit. Grundlage der Untersuchung sind Befragungsdaten von Menschen zwischen 18 und 50 Jahren.

Übergewicht in ärmeren Familien häufiger

Wie die Untersuchung ergab, sind 49 Prozent der Befragten aus bildungsfernen Familien übergewichtig. Bei Menschen, deren Elternteile beide das Abitur besitzen, beträgt der Anteil der Übergewichtigen hingegen nur knapp 31 Prozent.

Auch schätzen Menschen aus bildungsfernen Familien noch im Erwachsenenalter ihre eigene Gesundheit schlechter ein als Kinder höher gebildeter Eltern. Rund 77 Prozent der Menschen, deren Eltern Abitur haben, beurteilen ihren Gesundheitszustand als gut oder sehr gut. Bei Kindern ohne Eltern mit Abitur liegt dieser Wert nur bei 66 Prozent.

Hier können Sie die gesamte Studie lesen.

Bessere Bildungsabschlüsse, höheres Einkommen

Grund für die beobachteten Unterschiede sei, dass Kinder aus gebildeten Familien häufig bessere Bildungsabschlüsse und ein höheres Einkommen erzielten sowie körperlich weniger anstrengend arbeiteten. Dies könne bereits zu einer besseren Gesundheit beitragen. Kinder aus gebildeteren Familien könnten zudem durch bessere Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten geprägt sein.

„Langfristig wird sich die schlechtere gesundheitliche Verfassung in einer geringeren Lebenserwartung ausdrücken“, erklärt die Mitautorin der Studie, Mara Barschkett. Den Nachteilen müsse deshalb frühzeitig entgegengewirkt werden. „Ein Ansatz ist, Kindern unabhängig vom elterlichen Hintergrund den Zugang zu qualitativ guter Bildung zu ermöglichen.“

Die Untersuchung basiert auf Daten einer familiendemografischen Langzeitbefragung, der Informationen von bis zu 16 600 Befragten im Alter zwischen 18 und 50 Jahren zugrunde liegen.

Entwicklung der Kinderarmut in Deutschland

Die Zahl der Kinder mit deutscher Staatsbürgerschaft, die mit ihren Eltern auf Bürgergeld – also aufsozialstaatliche Grundsicherung – angewiesen sind, ist in den vergangenen acht Jahren deutlich um mehr als ein Drittel gesunken. Das geht aus aktuellen Daten der Bundesagentur für Arbeit hervor.

2015 hatten noch 1,57 Millionen solcher Kinder von den damaligen Hartz-IV-Bezügen gelebt, bis März diesen Jahres sank die Zahl auf 1,03 Millionen, die auf das seit 1. Januar 2023 eingeführte Bürgergeld angewiesen sind.

Zahl der hilfsbedürftigen ausländischen Kinder

Die Gesamtzahl der betroffenen Kinder ist demnach allerdings über diese acht Jahre konstant geblieben. Denn durch Fluchtmigration kamen viele Kinder neu nach Deutschland und in das Hilfesystem hinein.

Den Angaben der Bundesagentur zufolge haben derzeit insgesamt 47,8 Prozent der Kinder im Bürgergeld eine ausländische Staatsangehörigkeit – gegenüber 18,9 Prozent im Jahr 2015.

Seit 2015 kamen demnach mehr als 300 000 Kinder aus Syrien, Irak, Afghanistan und anderen Asylherkunftsländern in das Sozialsystem hinzu, seit 2022 dann noch rund 270 000 Kinder aus der Ukraine.

Kinder von Armut besonders betroffen

Zuletzt hatte die Bertelsmanns Stiftung in Gütersloh eine Studie zur Kinderarmut in Deutschland vorgelegt. Der Analyse zufolge sind die Zahlen unverändert hoch und das Problem eine „unbearbeitete Großbaustelle“, heißt es in dem Bericht. Rund 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche wachsen in Armut auf – 21,3 Prozent aller unter 18-Jährigen, wie die Bertelsmann Stiftung Mitte Juli berichtete. „Seit Jahren ist der Kampf gegen Kinderarmut eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen in Deutschland.“

Mehr als jeder fünfte Heranwachsende sei betroffen – mit regional starken Unterschieden. Nach Bundesländern werden in den Stadtstaaten Bremen und Berlin besonders viele Kinder und Jugendliche in finanziell schwachen Verhältnissen groß. In Bayern und Baden-Württemberg sieht es für sie im Vergleich am besten aus.

Info: Armut in Deutschland

Armut
In Deutschland waren nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) in Wiesbaden im vergangenen Jahr rund 17,3 Millionen Menschen von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Das entsprach etwa einem Fünftel (20,9 Prozent) der Bevölkerung. Im Vorjahresvergleich blieben die Zahlen nahezu unverändert. So lag der Anteil im Jahr 2021 bei 21 Prozent. Die Statistiker bezogen sich bei ihren Daten auf erste Ergebnisse der Erhebung zu Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC).

Kriterien
Laut den Angaben gilt ein Mensch in der EU als von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht, wenn mindestens eine der folgenden drei Bedingungen zutrifft: • Das Einkommen liegt unter der Armutsgefährdungsgrenze. • · Der Haushalt ist von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung betroffen. • Die Person lebt in einem Haushalt mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung.

Armutsgefährdungsquote
Die sogenannte Armutsgefährdungsquote gibt den Anteil derjenigen an, deren verfügbares Einkommen unter Einbeziehung möglicher Sozialleistungen unter 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung liegt. 2022 lag dieser Wert beispielsweise für Alleinlebende hierzulande bei 1250 Euro netto im Monat. Konkret waren 2022 etwa 12,2 Millionen Menschen (14,7 Prozent) armutsgefährdet. Zum Vergleich: Im Jahr 2021 hatte die Armutsgefährdungsquote 16 Prozent betragen.

Grade von Armut
: Erhebliche materielle und soziale Entbehrung
Den Daten zufolge waren 5,1 Millionen Menschen (6,1 Prozent) 2023 von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung betroffen (2021: 4,3 Prozent). „Das bedeutet, dass ihre Lebensbedingungen aufgrund von fehlenden finanziellen Mitteln deutlich eingeschränkt waren“, erklären die Destatis-Statistiker. So seien sie beispielsweise nicht in der Lage, Rechnungen für Miete oder Hypotheken zu zahlen, eine Woche in den Urlaub zu fahren, abgewohnte Möbel zu ersetzen oder einmal im Monat im Freundeskreis oder mit der Familie etwas essen oder trinken zu gehen.

Grade von Armut: Sehr niedrige Erwerbsbeteiligung
Etwa 9,7 Prozent der Bevölkerung unter 65 Jahren oder 6,1 Millionen Menschen in Deutschland lebten 2022 in einem Haushalt mit sehr niedriger Erwerbsbeteiligung (2021: 9,5 Prozent). „Das heißt, die Haushaltsmitglieder waren insgesamt sehr wenig oder nicht in den Arbeitsmarkt eingebunden“, heißt es seitens Destatis.