So modern soll die neue Moschee in Leinfelden-Echterdingen einmal aussehen. Doch wegen zahlreicher nicht eingehaltener Zusagen und Bauverzögerungen gibt es Streit. Foto: Michael Steinert

Ein Moscheeverein will schon lange ein neues Gebetshaus bauen. Immer wieder gibt es Probleme. Und ein konservativer Muslim-Verband steht in der Kritik. Warum hat sich bisher kaum jemand für die Lehren von Moschee und Verband interessiert?

Leinfelden-Echterdingen - Eine neue Moschee im Ort? „Das ist eine ganz schwierige Frage“, meint der verschwitzte Hobby-Rennradler, der vor dem Rohbau in Oberaichen haltmacht. Die Beton-Außenmauern der neuen „Eyüp Sultan Camii“ im Gewerbegebiet nahe der S-Bahn-Haltestelle in dem Ortsteil von Leinfelden-Echterdingen (Kreis Esslingen) stehen, aber nur im Erdgeschoss. Zwischen dem modernistischen Modell der Moschee auf dem großen Bauschild und dem realen Baufortschritt klaffen Welten. „Wie soll man da jetzt weiter verfahren“, fragt der Mann mit Blick auf den schwelenden Konflikt über den Neubau der Moschee, der nun zu eskalieren droht.

Der Moscheeverein „Verein für Kultur, Bildung und Integration“ (VKBI) kann den vertraglich vereinbarten Termin für die Fertigstellung seines Gebetshauses bis Ende Oktober unmöglich halten. Die Stadtverwaltung ist wegen zahlreicher nicht eingehaltener Zusagen des Vereins verärgert. Oberbürgermeister Roland Klenk (CDU) will daher, wie die „Filderzeitung“ berichtete, das in Erbpacht überlassene Grundstück von dem Moscheeverein zurückfordern. Die damit verbundene Verpflichtung des Vereins, alles bisher Gebaute wieder abzureißen, will die Verwaltungsspitze – zunächst jedenfalls – aussetzen. Mit dieser „Kompromisslösung“ will Klenk das Moschee-Projekt „nicht torpedieren, sondern auf eine neue verlässliche Basis stellen“.

Manchen Bürgern geht das nicht weit genug. Zum Beispiel Kurt Alber von der Bürgergemeinschaft Oberaichen (BGO): Auch er will, dass die Stadt das Grundstück zurückfordert, möchte aber dort keine Moschee mehr. „Die Stadt könnte das bisher Gebaute auch anders sinnvoll nutzen, etwa als Grundschule oder Musikschule für Oberaichen.“ An diesem Dienstag entscheidet der Gemeinderat im nicht öffentlichen Teil ihrer Sitzung zum brisanten Tagesordnungspunkt 14: „VKBI: Geltendmachung des Heimfall-Anspruchs“, wie der Vorschlag des Oberbürgermeisters offiziell heißt.

Für kirchliche Nutzung wird Bebauungsplan geändert

Seit gut 30 Jahren beten Muslime in einer früheren Arbeitersiedlung in einem Gewerbegebiet in Echterdingen. 2005 gründet sich der Moscheeverein VKBI. Nach eigenen Angaben hat er 110 Mitglieder, zum Freitagsgebet „kommen aber mehr Menschen“ in das alte Gemäuer an der Karlsruher Straße 15 -17, berichtet der Vereinsvorsitzende Hasan Matur. Seit vielen Jahren bemüht sich der Verein um eine neue Moschee an einem neuen Standort – am Ende ändert der Gemeinderat sogar den Bebauungsplan, um eine kirchliche Nutzung im Gewerbegebiet zu ermöglichen.

Anfangs ernten die Architektenpläne für ein würfelförmiges Gebetshaus für 300 Besucher viel Beifall. Geplant sind neben Gebets- und Nebenräumen, für Männer und Frauen getrennt, ein Wohnheim für 25 Schüler, sowie ein Supermarkt samt Imbiss und Café. Die geschätzten Baukosten für die Filder-Moschee klettern rasch auf 3,5 Millionen Euro. Viel Geld für einen Verein, der bei Gründung angibt, über kein Kapital zu verfügen. Der Spatenstich verzögert sich: Statt 2010 findet der 2017 statt. Und selbst dann sieht sich das Baurechtsamt immer wieder gezwungen,einen Baustopp zu verhängen. Mal ist die Böschung der Baugrube zu steil, mal wird ohne Genehmigung ein zusätzlicher Speisesaal geplant. „Der VKBI war ein äußerst unzuverlässiger Partner“, bilanziert OB Klenk frustriert. „Wir wurden auch nie wirklich über die Finanzierung aufgeklärt.“

Seltsam nur, dass sich nie jemand in der Gemeinde nach der ideologischen Ausrichtung des Vereins und insbesondere seines umstrittenen Dachverbands „Verband der Islamischen Kulturzentren“ (VIKZ) in Köln erkundigt hat. Der örtliche Vereinsvorsitzende Matur bestreitet zwar, dass sein Verein türkisch-konservative Lehren verbreite, aber zugleich ist er sich sicher, ein Reformislam, wo Männer und Frauen gemeinsam beten, „hat nichts mit dem Islam zu tun“.

Erdogan-Propaganda auf Facebook

Eigenartig auch, dass Matur bestreitet, sein Verein stehe dem umstrittenen türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan nahe. Der Kassenwart seines Vereins, Selcuk Celik, postet auf Facebook aber Erdogan-Propaganda. SPD-Fraktionschef Erich Klauser verteidigt den Moscheeverein, „weil es nie Probleme gab“. Er kenne einige aktive Mitglieder, darunter seien kleine Gewerbetreibende und Flughafenangestellte mit besonderer Sicherheitsüberprüfung. „Die Frauen tragen zwar teilweise Kopftuch, sie sind aber trotzdem gut integriert.“

Vor allem der Kölner Bundesverband gerät seit Jahren in die Kritik. Die inzwischen emeritierte Islamwissenschaftlerin Ursula Spuler-Stegemann erstellt bereits 2004 ein Gutachten für das hessische Sozialministerium. Ihre Analyse: Der VIKZ stehe für ein „extrem konservatives Gedankengut“, sei „Scharia-treu mit dem entsprechenden Frauenbild“ und agiere allenfalls „schein-offen“. Der Verein wies dies schon damals als „sachlich falsch“ und „tendenziös“ zurück. Hessen untersagte aber die Einrichtung von VIKZ-Schülerwohnheimen.

Für Birgül Akpinar, Vorstandsmitglied der Südwest-CDU, werden durch Wohnheime, Ferienlager und Korankurse des VIKZ für die Jugend „die Integration letztlich erschwert“. Auch für die CDU-Extremismus-Expertin besteht kein Zweifel: „Zwar gibt man sich gerne nach außen unpolitisch und neutral, doch fühlen sich die Mitglieder von nationalistischen und islamisch-konservativen Parteien in der Türkei repräsentiert und üben politischen Einfluss aus.“ Der VIKZ sei auch im Koordinierungsrat der Muslime organisiert und übe dort den „Schulterschluss mit mehr als fragwürdigen Verbänden“, bemängelt sie mit Blick auf die Kooperation mit Ditib, Milli Görüs und Muslimbrüdern.

„Was glauben Sie, wie die türkischen Medien reagieren?“

Kazim Per, Vizepräsident des VIKZ und lange Generalsekretär des Landesverbandes, weist diese Kritik weit von sich. Der Stuttgarter Immobilienhändler fungiert als Berater für das Moschee-Projekt in Oberaichen. Er ringt darum, dass die Stadt ihr Recht auf den Heimfall nicht geltend macht, „wegen ein paar Monaten Verspätung“. Dem Verein drohe die Insolvenz. „Die Leute wären ja aber nicht weg.“ Sollte Leinfelden-Echterdingen aber sein Recht ausüben, inklusive Abriss, „werden wir den Klageweg einschlagen“, sagt Per. „Dann wird die Welt davon erfahren. Was glauben Sie, wie die türkischen Medien darauf reagieren würden.“ Diese mit sanft-freundlicher Stimme vorgetragenen Sätze klingen nicht wie Drohungen, wirken aber eindeutig so.

Genau an diesem Punkt macht sich die Grünen-Stadträtin Ingrid Grischtschenko so ihre Gedanken: „Wir haben bei der Entscheidung im Gemeinderat daran zu denken, dass die Menschen in Oberaichen weiter miteinander auskommen müssen.“ Sie ist sich sicher: So mancher Bürger, der die Moschee ablehne, lehne den Islam als Ganzes ab. Das sei aber keine Lösung. Sie findet am Kompromissvorschlag des OB Gefallen. Mit einem auf ein Gebetshaus stark abgespeckten Bau – ohne Wohnheim – könnte sie leben. Ob sich aber Gemeinderat und Moscheeverein darauf einlassen, ist offen.